"Wer für die 73 Kilometer des Rennsteig trainiert hat und wer dort den Lauf gut durchgestanden hat, muss in Biel laufen." Damit hatte ich Angelika und Jürgen überzeugt, wir drei wollten bei den hundert Kilometern von Biel antreten und durchstehen.
Biel ist legendär, in Biel muss jeder ernsthafte Ultra-Läufer gelaufen sein, Biel ist einfach ein Muss! In diesem Jahr fand der 100 km-Lauf zum 45. Mal statt und wir waren dabei :-))). Ich habe wieder Mal bei einem Lauf viel gelernt, habe alle Höhen, aber vor allem Tiefen erlebt und weiß jetzt endlich was es heißt, dass man einen Lauf "im Kopf haben muss, um ihn zu überstehen". Aber der Reihe nach.
Angelika musste am Freitag noch arbeiten, so dass wir erst gegen 13.30 Uhr losfahren konnten: Autobahn Karlsruhe, Basel, dann Richtung Bern und in Solothurn abzweigen nach Biel. Wir hatten wenig Stau für einen Freitag Nachmittag, so dass wir bereits gegen 18 Uhr im Startbereich am Eisstadion in Biel waren. Wir stellten das Auto ganz in der Nähe ab und holten als erstes Startnummer und Chip ab. Bis zum Start um 22 Uhr hatten wir noch genügend Zeit, so dass wir im Festzelt noch die obligatorischen Nudeln essen konnten.
Dann hieß es warten. Ich schaute nach Bernhard, der bereits einen Tag zuvor angekommen war und gezeltet hatte. Wir unterhielten uns ein wenig und beim Rückweg zum Auto traf ich noch Rainer und Christine S, die ich beim MdS kennengelernt hatte. Christine wollte die 100 km laufen, Rainer machte Fahrradbegleitung. Er hatte nach dem MdS die selben Beschwerden am Fuß wie ich, nur dass seine Schmerzen immer noch da waren und ich sie mit Einlagen einigermaßen "im Griff" hatte.
Zurück beim Auto legte ich mich noch ein wenig ins Gras und entspannte. Eine seltsame Nervosität hatte mich ergriffen. Aber bald war die Wartezeit überstanden und kurz nach 21 Uhr ging es zum Startgelände. Auf dem Weg dorthin traf ich noch Volker und Vittorio (MdS), die beide bereits mehrmals in Biel gelaufen sind.
Punkt 22.00 Uhr fiel der Startschuss. Mehr als 2.000 Läuferinnen und Läufer, davon knapp 90 beim Militärlauf, setzten sich in Bewegung, Jürgen hatte sich etwas weiter vorne eingereiht, Angelika und ich im hinteren Drittel. Angelika würde das Tempo vorgeben und ich wollte schauen, dass ich mitkam. Vielleicht gelang es mir diesmal, zusammen mit ihr einzulaufen. Erst Mal aber ging gar nichts vorwärts und reichlich zwei Minuten dauerte es, bis wir endlich über die Startlienie kamen und erst danach konnte man einen ganz langsamen Schritt laufen, bis sich das Feld dann nach ein paar hundert Metern soweit auseinander gezogen hatte, dass man ungestört sein Tempo laufen konnte.
Die ersten Kilometer führten durch die Stadt. Dicht gedrängt standen die Zuschauer und klatschten Beifall. Sie würden hier sicher ausharren, bis um 23 Uhr die Staffelläufer starteten, um dann anschließend noch in einem der vielen Straßencafes und Restaurants zu sitzen und den Abend zu genießen.
Tagsüber war es, wie in den vergangenen Tagen und Wochen sehr heiß gewesen. Am Donnerstag war mit 33 Grad der heißeste Tag des Jahres und heute war es den Tag über sicher nicht weniger warm. Wir drei hatten uns darauf verständigt, dass wir mit einem ärmellosen Trikot laufen würden. Für die Nacht waren etwa 15 Grad vorhergesagt und da würde es ausreichen, aber momentan hatten wir sicher noch 28 Grad.
Nach etwa einem Kilometer hatten wir Bernhard, Thorsten und Christine K. eingeholt und reduzierten ein wenig das Tempo. Einige Minuten liefen wir nebeneinander und unterhielten uns. Christine, die vor dem Start so unglaublich nervös war, war ganz gelöst, Bernhard optimistisch und Thorsten erwartungsfroh.
Bald nahm Angelika wieder ihr Tempo auf und ich verabschiedete mich von den dreien. Immer noch waren wir in der Stadt, kamen jetzt ins Zentrum, die Zuschauer standen beinahe in Zweierreihen an der Strecke und ließen nicht nach, uns anzufeuern. Mir ging es gut, war aber trotzdem sorgenvoll: hundert Kilometer bedeuteten verflucht viele Stunden. Was würden meine Füße machen, meine Muskeln, meine Hüfte?
km 5: Mit 32:33 Minuten (6:30 /km) waren wir eigentlich etwas zu schnell. Aus dem Ergebnis des Rennsteig-Laufes (73,2 km, 8:58:22) hatten wir unser Traumergebnis von knapp unter 12 Stunden abgeleitet, das wäre ein Kilometerschnitt von etwa 7:12, bzw. für fünf Kilometer etwas schneller als 36 Minuten. Nun ja, hatten wir eben ein kleines Polster.
Allmählich verließen wir Biel, es dämmerte und die erste Steigung begann, wie ich es auch vom Höhendiagramm in Erinnerung hatte. Etwas länger als einen Kilometer ging es hoch, mal steiler, mal weniger steil, insgesamt knapp hundert Höhenmeter. Angelika behielt den Laufschritt bei und ich versuchte durch schnelles Gehen Energie zu sparen und trotzdem den Anschluss zu halten. Nur ganz unmerklich vergrößerte sich jeweils der Abstand, den ich immer dann, wenn es wieder flacher wurde, aufholte.
Es war Nacht geworden und der Mond übernahm die Beleuchtung. Schon von Beginn des Laufes an hatten wir ihn gesehen, etwa 40 Grad hoch, ein wunderschöner, perfekter Vollmond, mit einem leichten Hof. Jetzt sahen wir ihn direkt in Laufrichtung vor uns, der Hof war nahezu verschwunden und die gelbe Kugel gab ein herrliches Licht. Die Straße war bestens zu sehen, auch die Landschaft war erkennbar, eine Taschenlampe zur Sehhilfe war nicht notwendig.
Bisher waren wir stets auf für Autos gesperrten Straßen gelaufen. Kam man an Häusern vorbei, standen oder saßen Zuschauer davor, schauten uns Läuferinnen und Läufern zu und klatschten auch viel Beifall. Bei Kilometer sieben war der erste Verpflegungsstand: Wasser, Iso, Tee, Bananen und kleine Brotstückchen, nicht gerade üppig, vor allem wenn man wusste, dass der nächste Stand erst nach weiteren neun Kilometern kam. Dummerweise trank ich nur einen Becher Tee und aß ein Stücken Banane und Brot.
Noch einige Zeit ging es hoch, bis wir den Anfang des Dorfes Jens vor uns sahen. Schon ging es wieder bergab, steiler als nach oben. Ich war froh und dankbar, dass es nicht umgekehrt war.
km 10: Im Dorf noch ein paar hundert Meter steil abwärts und schon wurde es wieder eben. Mit 35:17 Minuten (7:03/km) waren wir näher an der idealen Zeit, aber immer noch ein wenig zu schnell, vor allem wenn man einrechnete, dass da eine längere Steigung dabei war. Ich machte mir aber keine Sorgen, im Gegenteil, da ich irrtümlicherweise dachte, für eine Gesamtzeit von 12 Stunden müsse man etwa 35 Minuten pro fünf Kilometer laufen, war ich der Meinung, wir seien richtig mit unserem Tempo.
Auch hier saßen viele Leute vor ihren Häuseren, die Kneipen an der Strecke hatten Tische und Bänke im Freien aufgebaut und machten heute ganz offensichtlich ein gutes Geschäft, alle waren sie voll besetzt. Der Abend war lau, bei einem Essen und einem Glas Bier konnte man gemütlich beinander sitzen und den Läuferinnen und Läufern zuschauen.
Das Dorf hatten wir hinter uns gelassen und kurz danach verlief die Strecke auf einem Feldweg. Erste Taschenlampen gingen an, auch Angelika beleuchtete ihren Weg. Er war eben, mit feinem Schotter als Oberfläche und recht gut zu laufen. Ich kam mit ein paar Mitläufern ins Gespräch, alles "Ersttäter", wie ich auch.
Bisher war ich stets ein paar Schritte hinter Angelika geblieben und so sollte es dann auch beinahe bis zum Schluss bleiben: sie gab das Tempo vor und ich lief ein, zwei Schritte hinter ihr. Der Feldweg verlief ziemlich gerade, machte nach etwa 1.200 Metern einen rechten Winkel nach links, ein paar hundert Meter geradeaus, wieder nach rechts und geradeaus. Dann das selbe nochmals. Angelika hatte sich an den Weg gewöhnt und ihre Taschenlampe ausgeschaltet. Es lief sich wunderbar im Mondlicht, selbst die leichten Vertiefungen im Weg sah man und konnte ihnen ausweichen.
Schon bald nach Beginn des Laufes hatte ich auf meine neuralgischen Stellen geachtet. Wo zwickte es, wie fühlten sich meine Oberschenkelmuskeln an, was machte meine Hüfte, was mein linker Fuß? Nichts war ganz perfekt, aber nirgends gab es Grund zur Sorge, nur irgendwie hätte es besser sein können, meinte ich wenigstens. Mein linker Fuß schmerzte ganz leicht. Wenn das nur nicht schlechter wurde! Die Gesamtverfassung hätte auch besser sein können, war aber doch gar nicht schlecht. Obwohl wir erst am Anfang des Laufes waren, hatte ich ganz tief in mir ein ungutes Gefühl, Sorge über die vielen Kilometer, die lange Zeit vor mir. War mein Magen in Ordnung? Eigentlich ja, hätte aber auch besser sein können. Ich genoss bisher den Lauf, hatte aber gleichzeitig alle möglichen unbestimmte, unbegründeten Ängste.
Ab Kilometer fünf waren nur noch alle fünf Kilometer Entfernungsschilder vorgesehen. Das Schild bei 10 hatte ich noch gesehen, das bei 15 muss ich übersehen haben. Da war ich wohl in meine sorgenvollen Gedanken vertieft und hatte nicht Ausschau gehalten. Langsam wurde es Zeit, dass mal wieder eine Verpflegungsstelle kam, ich hatte Durst und musste was essen. Zwölf Stunden sind lang, da sollte man essen, bevor man Hunger bekam. Kurz vor Aarberg, bei Kilometer 16, war es dann endlich soweit. Aber üppig war das Angebot auch hier nicht, wenn das so weiter ging, sah ich schwarz: Iso, Tee, Wasser, Brotstückchen, Bananen, Orangen, das war alles. Damit kann man doch den hohen Kalorienbedarf nicht decken! Hoffentlich wurde das noch besser.
Unzufrieden und mit noch mehr Sorgen beladen lief ich weiter und erreichte kurz darauf Aarberg. Tausende Zuschauer säumten die Straße, standen dann in Ortsmitte dichter, stellenweise wieder zweireihig und feuerten uns an. Unglaublich! Das war beim vielgelobten Berlin Marathon auch nicht besser, im Gegenteil! Die laue Nacht, die Begeisterung, alles war so, wie ich es immer wieder gehört hatte. Wieder waren die Gasträume der Wirtschaften nach außen verlegt worden und die Menschen feierten den schönen Abend und uns, die wir noch mehr als 80 Kilometer vor uns hatten. Als "Highlight" liefen wir in einer schönen alten überdachten Holzbrücke über ein kleines Flüsschen, begeistert gefeiert von den Zuschauern.
Bisher hatte ich noch keinen der Fahrradbegleiter gesehen. Die waren eine halbe Stunde vor uns gestartet und würden wohl bald am Straßenrand stehen und auf "ihren" Läufer warten. Tatsächlich, gerade als wir dem Ortsende entgegen liefen, standen sie da. Schon hatte ich Rainer entdeckt, kein Wunder bei seiner Körpergröße! Da ich immer noch orientierungslos war, fragte ich ihn, welcher Kilometer hier sei. So etwa 18 meinte er und ich lief weiter hinter Angelika her, wieder in die Dunkelheit, gut beleuchtet vom Mond. Bald zweigten wir von der Straße ab und rannten wieder auf einem Feldweg.
Jetzt ging es hoch, dann wieder leicht nach unten. Dieses Bergauf und Bergab sollte die nächsten 67 Kilometer so weitergehen. Zum Glück wusste ich das noch nicht. Ich hatte vom Höhenprofil in Erinnerung, dass wir zwar mal hoch mussten, es dann aber einigermaßen eben weiterging. Die Wirklichkeit jedoch sah anders aus. Nicht dass das gewaltige Anstiege gewesen wären, aber schon so, dass ich stellenweise in schnelles Walken überging, einfach um Kräfte zu sparen, und auch Angelika begann an den steileren Stellen zu gehen. "So bergig habe ich mir das aber nicht vorgestellt", meinte sie irgendwann mal.
km 20: 1:07:28 Stunden (6:44/km) für die letzten zehn Kilometer. Irgendwie hatte ich keinerlei Gefühl für die Zeit. Obwohl wir objektiv zu schnell unterwegs waren, meinte ich immer, wir seien zu langsam, um die 12 Stunden zu erreichen. Wir waren jetzt bereits mehr als zwei Stunden auf der Strecke und immer noch lagen 80 Kilometer vor uns. Meine Sorgen waren die letzten Kilometer gewachsen. Natürlich spürt man nach 20 Kilometern bereits seinen Körper. Bei einem Marathon kann man dann aber schon das Ende erahnen, es ist abzusehen. Hier aber sind zwei Stunden beinahe nichts, man hat noch so viele vor sich, dass man wirklich nicht weiß, ob man das überhaupt schaffen kann. Auch Angelika zweifelte, ob sie das durchhalten würde. Was haben wir uns da nur vorgenommen, das kann ja wirklich nicht vernünftig sein? Es half aber nichts, man musste versuchen, durchzukommen. Ich hatte mir vorgenommen, die hundert Kilometer durchzuhalten, egal was komme. Da konnte ich doch nicht jetzt schon ans Aufgeben denken! Mit solch düsteren Gedanken lief ich also, mein Körper schmerzte schon leicht, war aber noch längst nicht am Ende, nur der "Kopf" war belastet.
Seit die Fahrradbegleiter auf der Strecke waren, wurde es manchmal richtig eng. Ständig wurde man von einem Fahrrad überholt oder sie fuhren neben einem Läufer oder einer Läuferin her und verengten so die Strecke. Gut dabei war, dass die Scheinwerfer der Räder den Weg beleuchteten und die Rücklichter der Vorausfahrenden den Weg wiesen, schlecht war, dass man in einem Pulk laufen musste und oft behindert wurde.
Bis zum nächsten Entfernungsschild kamen wir noch zweimal durch kleine Dörfer und jedesmal standen oder saßen viele Zuschauer am Straßenrand und feierten. Diesen Wechsel von Trubel und wieder Einsamkeit erlebten wir bis in den frühen Morgen hinein und ist ganz sicher ein charakteristisches Merkmal dieses Laufes, das mir persönlich sehr gefallen hat.
km 25: Mit 37:26 (7:29/km) waren wir jetzt das erste Mal langsamer als der notwendige Schnitt, um unter 12 Stunden zu kommen. Da ich jedoch immer noch der Meinung war, wir müssten so um die 35 Minuten pro fünf Kilometer laufen, war mir klar, dass die 12 Stunden kaum noch erreicht werden konnten. Vor allem waren wir noch am Anfang des Laufes, erst ein Viertel lag hinter uns, noch drei Viertel vor uns und schneller wurden wir sicher nicht. Ich teilte Angelika unsere Zeit mit und meine Schlussfolgerung. Auch sie zweifelte an den 12 Stunden. Dazu kam, dass jetzt langsam der Körper seinen Schlaf forderte. Wir hatten etwa 0:45 Uhr und zu dieser Zeit liege ich normalerweise im Bett und schlafe. Bei Angelika äußerte sich das direkt in Müdigkeit. Ich hatte zwar kein unmittelbares Schlafbedürfnis, lief aber leicht "gedämpft", die Sinne waren kaum mehr aufnahmebereit. Dieser Zustand, in dem der Körper seine Müdigkeit signalisierte, wurde verstärkt, durch meine Sorgen, die die letzten fünf Kilometer nicht abgenommen hatten. Für mich war klar, dass ich da ein blödsinniges Unternehmen angefangen hatte, das ich besser hätte bleiben lassen. Beide waren wir zu diesem Zeitpunkt wohl auf einem Tiefpunkt.
Während ich vor mich hin trabte, stellte ich mir vor, was ich wohl über diesen Lauf schreiben würde und mir wurde bewusst, dass das nichts Erfreuliches sein konnte. Noch nie hatte ich so am Sinn eines Laufes gezweifelt, wie die letzten zehn Kilometer. Dieserart negativ eingestellt, lief ich hinter Angelika her, manchmal neben ihr, wenn es der Weg und die Läufer vor und hinter uns zuließen. Zwar hatte sich die Läuferschar weit auseinandergezogen und trotzdem liefen wir immer wieder in Begleitung von mehreren Läuferinnen und Läufern und natürlich auch Fahrrädern. Ich war uneins mit mir und dem Vorhaben.
Die Zeit verging sehr langsam. Immer mal drückte ich die Lichttaste auf meiner Uhr und konnte dann für wenige Sekunden Uhrzeit, Puls und die gelaufene Zeit seit dem letzten Entfernungsschild sehen. "Erst 12 Minuten, das sind ja noch mindestens 24 Minuten, bis wieder fünf Kilometer vorbei sind! Oh je." Wenn ich Glück hatte, wurde ich abgelenkt durch Mitläufer oder die Strecke und beim nächsten kontrollierenden Blick waren vielleicht schon 26 Minuten vergangen. "Ahh, wunderbar, nur noch ein Kilometer, dann kommt das nächste Schild, und wieder sind fünf Kilometer geschafft." Auf diese Weise brachte ich jeweils fünf Kilometer hinter mich. Die Entfernungsschilder selbst waren recht große Tafeln, etwas über Augenhöhe links oder rechts der Strecke angebracht und mit einer Taschenlampe angestrahlt, so dass man sie kaum übersehen konnte. Da ich durch meinen häufigen Blick auf die Uhr stets wusste, wann etwa eines kommen musste, sah ich, bis auf zwei Ausnahmen, bei denen ich abgelenkt war, alle Entfernungstafeln.
km 30: Ein Drittel lag hinter uns, juhu! Aber sofort kam auch die Ernüchterung: erstens nicht ganz ein Drittel und zweitens noch 70 Kilometer. Blitzschnell war ich wieder auf dem Boden der Tatsachen. 35:20 Minuten (7:04/km) hatten wir gebraucht, wieder etwas schneller. Auf den ersten zwanzig Kilometern lag mein Puls im Schnitt bei etwa 118, jetzt war er schon seit einigen Kilometern auf ca. 125 geklettert, obwohl ich nicht schneller war. Was hatte jetzt das zu bedeuten?
Zwei weitere Verpflegungsstellen hatten wir passiert, ja, passiert ist der richtige Ausdruck. In vollem Tempo rannten wir jeweils bis an die Tische mit der Verpflegung. Die waren immer dicht umlagert, man musste sich die Becher beinahe erkämpfen. Kaum hatte ich dann einen Becher getrunken und den zweiten in der Hand, war Angelika schon wieder unterwegs, sie gönnte mir aber auch nicht eine Sekunde der Erholung! Ich stürzte dann den zweiten Becher hinunter und rannte hinterher, ein Stückchen Banane und Brot in der Hand. Ich glaube, ich habe noch bei keinem Lauf so wenig Zeit an den Verpflegungsstellen verloren. Im Übrigen wurde die Verpflegung nicht besser, nur Bouillon war dazu gekommen - schmeckte nicht gut - und einmal irgendwelche Riegel. In der Not greift man aber auch danach, aber zufrieden war ich auf keinen Fall. Das hatte ich schon wesentlich besser erlebt.
Es war beinahe halb Zwei in der Nacht und die Temperatur war von anfänglichen 28 Grad auf vielleicht 18 Grad gefallen, eigentlich immer noch zu warm, aber wir hatten auch eine hohe Luftfeuchtigkeit, so dass der Schweiß kaum verdunsten konnte und der Körper immer nass war. So empfand ich es als kühler, als es tatsächlich war.
Meist führte uns die Strecke auf asphaltierten Wirtschaftswegen, mal über freies Feld, mal an Waldrändern entlang. Der Mond stand etwas tiefer als zu Beginn, leuchtete aber noch immer so gut, dass ich bisher meine Stirnlampe noch nicht benötigte. Sie steckte in meiner Hose und wartete auf ihren Einsatz. Auch war ich bisher noch nie im Zweifel über den Streckenverlauf. Stets sah man genügend Läuferinnen und Läufer vor sich, teils mit Taschenlampen, teils mit Fahrradbegleitung, so dass die Lichter den Weg wiesen. Den Untergrund konnte man ebenfalls erkennen, und da das meist Asphalt war, waren von da her auch keine Überraschungen zu erwarten. Ich lief also vollkommen sorglos, selbst wenn ich an ganz dunklen Stellen überhaupt nichts mehr sah.
Der Streckenverlauf war stets eindeutig. Selbst wenn nicht so viele um uns herum gewesen wären, verlaufen wäre nicht möglich gewesen. In einigermaßen regelmäßigen Abständen waren kleine Schilder in Bodennähe angebracht, die die Richtung anzeigten. Sie waren mit Taschenlampen beleuchtet, die sich in Intervallen einschalteten und das Schild anstrahlten. Musste man mal eine Autostraße überqueren, war die stets durch Streckenposten abgesichert, die auch an unübersichtlichen Stellen standen und sicherten. Ansonsten waren Abzweigungen durch rot-weiße Bänder so gesperrt, dass man zwangsläufig richtig laufen musste. Die Streckenführung war wirklich perfekt.
km35: Mit 36:04 Minuten (7:12/km) lagen wir die letzten fünf Kilometer genau in der Zeit. Mein Puls war mit 128 noch etwas höher, aber immer noch weit von einer kritischen Grenze entfernt. Die liegt bei mir in einem Bereich von 148-152, in diesem Bereich laufe ich aber nur bei einem sehr schnellen Marathon und das auch nur auf den letzten 15 Kilometern. Also alles noch im grünen Bereich, aber es lagen immer noch 65 Kilometer vor mir und ich hatte keine Ahnung, was da mein Körper alles noch machen würde.
Immer noch war erstaunlich viel Leben auf der Strecke, verursacht u.a. auch von den Staffelläufern. Die waren um 23 Uhr gestartet und die Ersten hatten uns bereits irgendwo bei Kilometer 25 überholt. Die Langsameren kamen auch jetzt immer noch von hinten auf und überholten. Der erste Stabwechsel war in Oberramsern bei Kilometer 39. Dort war die Wechselzone, in der zum nächsten Läufer übergeben wurde. Insgesamt vier Läufer bildeten eine Staffel, mindestens eine Läuferin musste dabei sein. Die 100 Kilometer teilten sich somit in vier Etappen auf: 39, 20, 23 und 18 Kilometer.
Im Bereich dieser Wechselzone, bei genau 38,6 Kilometern, lagen auch die ersten Zeitnahmematten, über wir laufen mussten. Meine Zwischenzeit betrug 4:40:41 Stunden (7:16/km), das war Rang 751 im Gesamtfeld der 1.196 Finisher und Rang 60 von 114 Finishern in meiner Altersklasse. Zu der Zeit wusste ich jedoch noch nichts von meinem Rang, ich war einfach nur froh, dass jetzt dann endlich nach über 10 Kilometern mal wieder eine Verpflegungsstelle kam.
km 40: Zeit für die letzten fünf Kilometer: 37:23 Minuten (7:28/km). Obwohl es die letzten acht Kilometer tendenziell eher abwärts gegangen war, war ich richtig erschöpft und hätte am liebsten eine Pause gemacht. Es gab wieder Riegel, mir war aber nicht besonders gut, so dass ich nur getrunken habe. Bei vielen meiner Läufe gibt es einen Punkt der Erschöpfung, ab dem ich keine feste Nahrung mehr aufnehmen kann. Da ist mir das alles zuwider und ich kann nur noch trinken. Da ist es dann gut, wenn es kalorienreiche Getränke wie Haferschleim und/oder Cola gibt. Das wurde aber nicht angeboten und ich musste mich mit Wasser und gesüßtem Tee, bzw. Iso begnügen.
Einen Becher Wasser trank ich am Stand, zwei mit Iso nahm ich in die Hand und ging weiter. Glücklicherweise begann Angelika nicht sofort zu rennen, sondern ging neben mir her, während wir noch unsere Becher tranken. Ich klagte ein wenig, dass der Lauf sehr anstrengend sei, und ich mich bereits jetzt nicht mehr sehr gut fühlte. Tatsächlich war ich zu dieser Zeit nicht gut drauf. Ich wusste genau, wenn ich jetzt sofort wieder rennen würde, würde mir schlecht werden und das wäre verheerend gewesen.
Ich weiß nicht warum, aber Angelika machte immer noch keinerlei Anstalten wieder zu rennen und so marschierten wir nebeneinander auf der Straße und klagten ein wenig. Obendrein war es kühl geworden, vielleicht 12 Grad und wir bestätigten uns gegenseitig, dass jetzt ein T-Shirt kein Fehler wäre. Wir hatten aber keines dabei und mussten eben mit unseren ärmellosen Leibchen Vorlieb nehmen. Alle Sorgen, die ich während des Laufes so hatte, wurde ich durch Erzählen los und auch Angelika ließ erkennen, dass sie der Lauf mehr belastete, als sie gedacht hätte. Ein wenig bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich es war, der Jürgen und Angelika überredet hatte. Vor dem Rennsteig Lauf hatte ich mich bereits in Biel angemeldet und die Beiden auch animiert. Als wir drei dann den Rennsteig Lauf so gut hinter uns gebracht hatten, war mein Argument, dass es doch schade wäre, den guten Trainingsstand nicht zu nutzen und man müsse doch die 100 Kilometer von Biel laufen, das wären gerade mal 27 Kilometer mehr als beim Rennsteig, bei unvergleichlich besseren Bedingungen: idealer Untergrund, und beinahe 1.000 Höhenmeter weniger. Objektiv war das ja auch so und daher machten die Beiden mit. Die Wirklichkeit jedoch sah anders aus und jetzt steckten wir mitten im Schlamassel und ich war schuld.
Nicht ganz einen Kilometer gingen wir nebeneinander und ich war Angelika sehr dankbar, dass sie nicht wieder loslief. Ich war einigermaßen wieder erholt, wollte aber noch kurz von der Strecke weg, da ich schon länger ein menschliches Bedürfnis hatte. Gesagt getan, ich ging links weg hinter einen Erdhaufen, setzte dort einen sehr viel kleineren dazu und war nach knapp vier Minuten wieder auf der Strecke, Angelika war natürlich längst über alle Berge. Ich fühlte mich aber wieder so wohl, dass ich etwas flotter laufen konnte, ich wollte meine Begleiterin wieder einholen.
Im nächsten Dorf waren trotz der späten Uhrzeit (3 Uhr) immer noch Zuschauer an der Strecke, meist saßen sie in den jetzt ausgedünnten Biergärten und harrten aus, warum auch immer. Ab und zu saß auch ein jugendliches Liebespaar neben der Straße und nützte die Gelegenheit, dass sie heute Nacht freien Ausgang hatten. Eigentlich eine schöne Atmosphäre, die ich noch mehr genossen hätte, wären da nicht noch die vielen Kilometer vor mir gewesen.
Nach dem Dorfende führte die Strecke wieder weg von der Landstraße auf Feldwegen über die Felder.
km 45: Die Gehpause, mein Aufenthalt hinter dem Erdhaufen und die Strecke, die auf den vergangenen vier Kilometern über 100 Meter Höhenmeter von uns forderte, hatten die Zeit dramatisch verschlechtert: 48:34 Minuten (9:42/km) für die vergangenen fünf Kilometer. Aber beides war notwendig gewesen, ich fühlte mich deutlich besser und konnte flott weiterlaufen.
Und dann ging es durch ein vollkommen finsteres Waldstück. Der Mond hatte keine Chance den Weg zu beleuchten, man sah überhaupt nichts! Dazu kam, dass der Untergrund geschottert war, also nicht leicht zu laufen. War ich bis jetzt der Meinung, ich hätte meine Stirnlampe umsonst mitgeschleppt, änderte sich das schlagartig. Ich war dankbar, dass ich meinen Weg beleuchten konnte. Dummerweise aber hatte auch die Luftfeuchtigkeit zugenommen, es war kühl und meine Brille war beschlagen. Ein altes Übel, gegen das ich nahezu machtlos war. Ich versuchte so auszuatmen, dass der Atem nicht hoch zur Brille stieg und konnte einen kleinen Fleck der Brillengläser beschlagfrei halten. Auf diese Weise überstand ich diese vielleicht 700 Meter vollkommener Finsternis.
Kurz darauf kam schon wieder eine Verpflegungsstelle. Wieder kein Cola und zum Essen war mir immer noch nicht zumute. Also nahm ich ein Iso-Getränk und einen Becher Wasser und rannte sofort weiter, um den Rückstand zu Angelika vielleicht noch aufzuholen. Aber das würde sicher noch einige Kilometer dauern, wenn es überhaupt gelingen würde. Aber ich fühlte mich jetzt wirklich besser und konnte flott laufen. Auch war diese Aufholjagd so kurzweilig, dass die Zeit recht schnell vorbeiging. Immer wieder glaubte ich, in der Ferne Angelika in der Läuferschlange zu sehen, aber das war bloße Hoffnung, denn genaues Sehen war auch im Mondlicht nicht möglich, zumindest nicht auf größere Entfernungen.
Schon tauchte der nächste größere Ort auf: Jegenstorf. Es war jetzt etwa 4 Uhr und Zuschauer waren nur noch wenige zu sehen, ganz menschenleer war es aber auch hier nicht. Mitten im Ort dann die nächste Verpflegungsstelle. Ich glaubte mich zu erinnern, dass es ab hier Cola geben sollte und freute mich bereits darauf. Als ich mich dem Stand näherte, sah ich tatsächlich Angelika, wie sie gerade weiterlaufen wollte. Plötzlich aber drehte sie sich um, ging nochmals an den Verpflegungstisch und nahm sich einen Becher. Dann erst ging sie weiter. Sekunden danach erreichte ich den Tisch. Wunderbar - tatsächlich sah ich dort Becher, halb gefüllt mit Cola. Ich schüttete zwei Becher zusammen und den vollen dann in mich hinein. Schnell noch einen weiteren in die Hand genommen und schon ging ich weiter. Zwanzig Meter vor mir sah ich Angelika, wie sie gerade wieder zu laufen begann. Ich trank meinen Becher und hatte sie kurz darauf eingeholt.
km 50: Meine 5-Kilometer-Zeit war mit 36:59 Minuten (7:23/km) wieder einigermaßen ok. Gemeinsam liefen wir wieder weiter. Bereits nach 10 Minuten zeigte das Getränk seine Wirkung und ich fühlte mich zum Bäume Ausreißen. In ordentlichem Tempo ging es auf der Landstraße vorwärts. Die Hälfte war geschafft, zwar nochmals 50 Kilometer vor uns, aber irgendwie war ich besser gestimmt. Bald würde es dämmern, gar hell werden und dann würde es weiter bergauf mit uns gehen.
In der Tat hatte ich das Gefühl, als ob man jetzt bereits etwas mehr sehen könnte. Der Mond stand sehr niedrig, vielleicht noch 20 Grad hoch, aber sein Licht wurde bereits ganz unmerklich unterstützt. Man hätte meinen können, dass am Horizont ein heller Streifen sichtbar wäre. Von der Landschaft war etwas mehr zu sehen. Die ganzen fünfzig Kilometer bisher konnte man immer wieder Kühe auf der Weide hören, zu sehen waren sie aber nur dann, wenn sie ganz dicht an der Straße standen. Jetzt konnte man sie tatsächlich sehen, obwohl sie etwas weiter weg im Gelände waren. Mal standen sie und fraßen, mal lagen sie und kauten. Manche von ihnen aber waren noch weiter weg, sie waren nur an ihren Glocken erkennen, die bei jeder Bewegung bimmelten. Die Dämmerung hatte meine Sinne geschärft, ich nahm jetzt mehr wahr und hörte auch schon hier und da Vögel. So wie ich mich von meinen sorgenvollen Gedanken befreit hatte, schien auch die Natur wieder lebendiger werden.
Eigentlich hätte ich erwartet, dass sich nach dieser langen Zeit das Läuferfeld weit auseinandergezogen hätte. Das Gegenteil war der Fall, ich hatte den Eindruck, als ob mehr Leben auf der Strecke wäre. Immer noch belebten die Fahrradfahrer und die Staffelläufer das Feld der 100-Kilometer Läuferinnen und Läufer. Stets sah man dreißig, vierzig vor einem auf der Strecke und wurde immer noch ab und zu mal von einem Staffelläufer oder einer Staffelläuferin überholt. Meist jedoch überholten wir. Ein Läuferpaar war mir schon seit vielen Kilometern aufgefallen, ein Mann und eine Frau, stets nebeneinander laufend. Mal lagen sie vor uns, mal hatten wir sie überholt und hinter uns gelassen, aber irgendwann waren sie wieder vor uns. Wieder einmal überholten wir sie und ließen sie hinter uns. Wahrscheinlich würden wir die nicht mehr sehen, denn in den letzten Stunden hatte es kaum mehr welche gegeben, die uns dauerhaft überholt hätten.
Immer noch ging es mal rauf, mal runter, in der Summe aber eindeutig runter. Auch Angelika ging bei etwas steileren Passagen, obwohl man die sämtliche hätte auch rennen können. Aber man musste Kräfte sparen, es lagen noch viele Kilometer vor uns.
km 55: Wie es mein gutes Gefühl angedeutet hatte waren die vergangenen fünf Kilometer wieder recht schnell: 33:56 Minuten (6:47). Allerdings war mein Puls auch bereits bei 131. Wenn ich das nur nicht bereuen würde! Aber egal, Angelika gab das Tempo vor und ich folgte eben. Wenn ich an jeder Verpflegungsstelle Cola bekam, würde es vielleicht reichen.
Halb fünf Uhr war vorbei und es wurde deutlich heller. Die Vögel hatten mit Macht eingesetzt, vor allem hörte ich laut schimpfende Eichelhäher, die sich offensichtlich durch die vielen Menschen gestört fühlten. Unser Tempo war gut und die Zeit verging jetzt subjektiv viel schneller, als auf den ersten vierzig Kilometern. Schon tauchte Kirchberg vor uns auf. Wir drängelten uns durch die Läuferinnen und Läufer, die vor den Verpflegungstischen standen und ich holte mir wieder Cola. Zwei Becher zusammenleeren, trinken, noch einen Becher in die Hand nehmen. Da sah ich so was ähnliches wie Power Gel. Ich nahm einen Beutel, riss ihn auf und drückte das süße Zeug in den Mund, spülte es mit dem Cola runter und marschierte weiter.
Zunehmend fiel es Angelika schwerer, wieder anzulaufen. Sie hatte am kleinen Zeh eine Blase, die ihr Schmerzen bereitete. Das ist ja häufig so, dass erst der Wechsel vom Gehen zum Rennen die Schmerzen befördert. Aber stets war sie nach kurzer Zeit wieder vorne und gab das Tempo vor. Immer noch konnte ich gut mithalten. In Kirchberg war der nächste Wechsel der Staffelläufer gewesen und somit auch ein Zeitnahmeteppich. Die Ergebnislisten zeigten, dass ich seit der letzten Messung bei km 39 insgesamt 52 Plätze im Gesamtklassement gut gemacht hatte, in meiner Altersklasse lag ich in Kirchberg auf Platz 53 von 114. Mein Gefühl hatte mich also nicht getrogen, wir hatten jede Menge überholt.
Kaum hatten wir Kirchberg verlassen, führte uns der Weg auf einen kerzengeraden, schmalen Damm, mit einem noch schmaleren Weglein, auf dem keine zwei Leute nebeneinander laufen konnten. Hier sah ich Constanze Wagner, die diesmal nicht mitlaufen konnte, sondern Bilder machte, die dann sicher auf www.laufreport.de, zusammen mit einem Bericht, zu sehen sind. Kurz darauf erreichten wir das nächste Kilometerschild.
km 60: Mit 34:53 Minuten (6:58/km) waren wir kaum langsamer als die vorigen fünf Kilometer. Langsam glaubte ich wieder mehr an mich und auch eine Zeit knapp über 12 Stunden erschienen mir möglich. Hoffentlich ging es so weiter.
Schnurgerade verlief der Damm. War der Pfad anfänglich noch gut zu laufen, wurde das nach ein paar hundert Metern schlagartig schlechter. Plötzlich standen links und rechts Bäume und Büsche, deren Äste in den Weg reichten und denen man ausweichen musste, d.h., man musste sich ducken, oder sie mit der Hand beiseite schieben, denn ein Ausweichen war nicht möglich, der Pfad auf dem Damm war zu schmal und vor allem war der Untergrund zu schlecht und wurde immer schlechter, er wurde steinig, war stellenweise mit Wurzeln übersät - ein gleichmäßiges Laufen war nicht mehr möglich. Das war ja teilweise noch anspruchsvoller als beim Rennsteiglauf und da war ich schon der Ansicht, dass es schlechter nicht mehr ginge.
Dies musste der berüchtigte Ho-Chi-Minh-Pfad sein, der durch diesen Namen an den Dschungel in Vietnam erinnern sollte. Vermutlich aber war es im Dschungel noch eine Nummer schlimmer. Bernhard hatte diesen Pfad letztes Jahr in seinem Bericht so charakterisiert: "Immer warte ich jetzt auf die knorrigen Wurzeln, spitzen Steine und andere Unebenheiten, die diese Wegstrecke doch mit sich bringen soll. Es kommen so gut wie keine. Der Weg ist frisch geebnet und gesplittet. Dem Ho Tschi-Minh-Pfad sind also zwischenzeitlich die Zähne gezogen worden." Das muss vor einem Jahr ein anderer Streckenverlauf gewesen sein, denn die knorrigen Wurzeln, die spitzen Steine, andere Unebenheiten und noch viel mehr, all das habe ich hier im Übermaß vorgefunden.
Neben dem schlechten Untergrund und den Ästen in Augenhöhe kämpfte ich noch mit meiner beschlagenen Brille. Die Luftfeuchtigkeit war sehr hoch, stellenweise lagen sogar Nebelschwaden auf den Wiesen der Waldlichtungen. Unter solchen Bedingungen ist es beinahe unmöglich, die Brille beschlagsfrei zu halten. Halb blind rannte ich hinter Angelika her und konzentrierte mich, damit ich wenigstens den Boden einigermaßen sah.
Wir hatten kurz vor halb Sechs und daher war es glücklicherweise schon ziemlich hell, man sah also sehr gut, wo man hintrat. Immer wieder während des ganzen Laufes hatte ich an Jürgen gedacht und immer wieder ausgerechnet, wo der wohl war. Jürgen ist ein sehr viel schnellerer Läufer und war sicher mehr als eineinhalb Stunden vor uns. Der musste also diesen Weg im Dunkeln gelaufen sein! So wie ich ihn kannte, hat er da sehr geflucht. Später berichtete er, dass er tatsächlich in stockfinsterer Nacht, der Mond konnte da kaum helfen, da ihn die Bäume abwiesen, diesen Pfad laufen musste. Bei einer vorhergegangenen Verpflegungsstation hatte er seine Taschenlampe liegen gelassen und konnte so den Weg nicht beleuchten. Dazu kam, dass er auf weiter Flur alleine war, nur ein Läufer hinter ihm, der aber auch keine Lampe dabei hatte und prompt auch stürzte. Jürgen hatte Glück und überstand die vielleicht acht Kilometer unversehrt.
Angelika und ich konnten, wie bereits gesagt, das Wegstück bei Helligkeit laufen und kamen daher einigermaßen flott voran. Hinter mir hörte ich beständig jemanden schnaufen, er gab aber kein Zeichen, dass er vorbei wolle. Vor uns waren ein paar Läufer, die wir ganz langsam einholten und an einer passenden Stelle dann auch überholten.
km 65: Der Ho-Chi-Minh-Pfad hatte Zeit gekostet, genau 38 Minuten (7:36/km) hatten wir für die vergangenen fünf Kilometer gebraucht, aber das schlimmste Stück lag hinter uns. Schon tauchte wieder eine Verpflegungsstelle auf. Wieder trank ich zwei Becher Cola, nahm ein Power Gel und spülte mit Wasser hinunter. Gerade als ich weiter wollte, sprach mich Wolfgang an. Ich hatte schon im Startgelände nach ihm Ausschau gehalten, ihn aber nicht getroffen. Er wollte ebenfalls 12 Stunden laufen und wir wären sicher miteinander gelaufen. Ich begrüßte ihn und teilte ihm sofort meine bisherigen Erfahrungen mit, dass das ein sehr schwerer Lauf sei. Er bestätigte. Offenbar war er bisher einige Minuten vor uns gelaufen, war jetzt etwas langsamer geworden. Man sah ihm die Strapazen an.
Als dann Angelika wieder loslief, schloss er sich uns an und wir unterhielten uns. Allerdings redete mehr ich und Wolfgang hörte zu. Die nächsten Kilometer vergingen recht kurzweilig, so dass ich tatsächlich die nächste Entfernungstafel übersah. Glücklicherweise hatte Wolfgang die Zeit genommen, so dass ich noch nachträglich die korrekte Durchgangszeit hatte:
km 70: 38:05 Minuten (7:37/km), Puls 127. An der anschließenden Verpflegungsstelle trank ich meine zwei Becher Cola und spülte dann das ganze Zeug mit einem Becher Wasser hinunter. Das hatte ich auch an der letzten Station so gemacht. Trank ich nur das Cola, musste ich noch kilometerlang aufstoßen, so schäumte das elende Zeug im Bauch. Mit einem Becher Wasser war das tatsächlich besser. Lange hielten wir uns nicht auf, sondern liefen gleich wieder weiter.
Soeben überholten uns zwei Läufer und eine Frau auf einem Fahrrad. Irgendwie kam mir die Frau bekannt vor, war die nicht vor vielen Kilometern zusammen mit einem der Männer gelaufen? Wir überholten wieder und nach einiger Zeit waren die Drei wieder vor uns. Da sagte Angelika plötzlich: "Das ist aber auch nicht reell, was die Frau da macht." Sie bestätigte meinen Verdacht, sie hatte die Frau ebenfalls erkannt. Ja, das war das Pärchen, das vor vielen Kilometern mal vor, mal hinter uns gelaufen war, ziemlich lange. Da hatte sich doch tatsächlich die Frau aufs Fahrrad gesetzt und erholte sich jetzt. Nun ja, ob die sich im Ziel über ihre Leistung freuen kann?
Jetzt begann der lange Anstieg. Vierzehn Kilometer lang sollte es laut Höhendiagramm immer ganz leicht hochgehen, insgesamt mehr als 100 Höhenmeter. Tatsächlich ging es jetzt bergauf, aber nur so sanft, dass man ohne Probleme rennen konnte. Schon seit einiger Zeit war Wolfgang vollkommen ruhig geworden und lief teilweise auch einen Schritt hinter mir. Vermutlich war ihm das Tempo, das Angelika lief, etwas zu schnell. Ich kam zwar noch problemlos mit, bemerkte aber, dass auch meine Kräfte nicht unendlich waren. An der letzten Verpflegungsstelle konnte ich schon kein Gel mehr nehmen. Bananen oder gar Riegel widerstrebten mir auch, so dass meine einzige Energiequelle das Cola war. Ich kannte diesen Punkt, das war kein gutes Zeichen. Man würde sehen, ob ich durchhalten würde.
Der Läufer und die Betrügerin auf dem Fahrrad waren mal wieder vor uns. Der Mann bekam jetzt offenbar Krämpfe und musste sich an einer Mauer abstützen und dehnen. Sein Mitläufer (ehemals auf dem Fahrrad) und die Frau hielten an. Wir überholten.
km 75: 32:28 Minuten (6:29/km), Puls 133. Da waren wir, trotz leichter Steigung, doch tatsächlich viel zu schnell unterwegs. Aber was sollte ich machen, Angelika gab das Tempo vor. Es war kurz nach sieben Uhr und die Temperaturen waren immer noch gut. Bald aber würde die Sonne höher stehen und ganz schnell würde es recht warm werden. Jeder Kilometer, den wir jetzt hinter uns brachten, war wertvoll.
An der nächsten Verpflegungsstelle verabschiedete sich Wolfgang, er wollte etwas langsamer tun. Wieder nahm ich nur Cola und Wasser und konnte die festen Energieträger nicht zu mir nehmen, selbst Bananen waren mir zuwider. Vom Verpflegungsstand weg rannten wir nicht sofort. Angelika hatte wohl stärkere Schmerzen an ihrem Zeh und musste sich jedes Mal überwinden, wieder loszurennen. Bald aber rannte sie wieder und ich dahinter. Immer noch ging es beständig hoch, mal beinahe eben, dann wieder etwas mehr. Wurde es allzu viel, dann ging ich in den Gehschritt über. So schnell wie noch zu Beginn gestern Abend war ich da aber auch nicht mehr, aber ich konnte mithalten, bzw. den Abstand an den flacheren Passagen wieder aufholen. Zunehmend jedoch spürte ich meine nachlassenden Kräfte, das Cola konnte nicht mehr genügend Nachschub liefern.
km 80: Mit 36:23 Minuten (7:16/km) und Puls 130 hatten wir die vergangenen fünf Kilometer Steigung hinter uns gebracht und waren damit kaum langsamer als zuvor. Kein Wunder, dass ich jetzt langsam Tribut zollen musste. Gerade marschierten wir nebeneinander den wohl letzten Anstieg hoch, als Angelika einen Power Bar herausholte und verspeiste. Sie bot mir zwar was davon an, ich musste ablehnen. Das hätte ich jetzt auf keinen Fall hinunter bekommen, obwohl ich die Energie dringend hätte brauchen können. Kurz bevor wir oben waren, verspürte ich wieder ein dringendes Bedürfnis. Ich ging nach links in den Wald und Angelika lief weiter.
Verflucht, wieder vier Minuten verloren. Die würde ich wohl nicht mehr einholen können, obwohl es jetzt abwärts ging. Ich gab mir Mühe und versuchte schnell zu laufen. Diese paar Kilometer von Gossliwil hinunter nach Arch waren recht steil. Auf nur 2 km musste man die ganzen Höhenmeter wieder "vernichten". Das ging ganz schön in die Beine, Knie und Oberschenkel. Dazu kam, dass es jetzt immer wärmer wurde, die Sonne hatte wieder die Herrschaft übernommen. Da das zu erwarten war, hatte ich eine Mütze in meiner Hose mitgetragen und konnte die jetzt zum Schutz aufsetzen.
Während ich die sehr steile Straße nach Arch hinunter rannte, sah ich vor mir einen Läufer, der von seiner Frau auf dem Fahrrad begleitet wurde. Ich gab mir Mühe, mit ihm Schritt zu halten, trotzdem wurde der Abstand immer größer. Da bekam seine Frau einen Anruf auf ihrem Handy. Sie telefonierte und fuhr gleichzeitig weiter den steilen Berg hinunter. Nach einer Weile reichte sie ihrem Mann das Handy und ohne sein Tempo zu verringern, telefonierte er. Ich dachte zwar, dass ich ihn jetzt einholen könne, aber ich kam ihm kaum näher. Gerade passierten wir das Entfernungsschild "85 km". Quatre-vingt cinque hörte ich ihn mitteilen und kurz danach beendete er das Gespräch.
km 85: Mein Aufenthalt im Wald hatte mich schwer aufgehalten, hatte ich doch für die letzten fünf Kilometer 43:31 Minuten (8:42/km) benötigt. Von Angelika war nichts zu sehen, die würde ich nicht mehr einholen. Im Ort überquerten wir die Hauptstraße, gesichert durch Polizei und dann führte der Weg hinaus in die vollkommen schattenlose Ebene, wo uns die inzwischen stechende Sonne voll erreichte. Die Temperaturen stiegen minütlich und waren bald sehr unangenehm, obwohl es erst kurz vor 9 Uhr war.
Bis zum Horizont hatte man brach liegende Felder vor sich. Der Weg führte ewig lang geradeaus, dann ein kurzes Stück im rechten Winkel nach rechts, wieder nach links und wieder ewig geradeaus. Da alles ganz eben war, sah ich die Schlange noch in weiter Entfernung vor mir - nicht sehr ermutigend zu sehen, was man noch alles in der sengenden Hitze vor sich hatte. Rechts von uns, in etwa 300 Meter Entfernung, verlief die Schnellstraße nach Biel. Alles in Allem ein deprimierender Streckenabschnitt. Zwar wusste ich, dass die letzten fünf Kilometer durch den Wald führen sollten, aber diese neun Kilometer heißer, langweiliger, deprimierender Weg mussten erst noch überwunden werden.
Ich gab mir Mühe und rannte sicher drei Kilometer, ohne der Versuchung zu erliegen, Gehpausen zu machen. Irgendwann aber war es aus, ich musste gehen. Bei der Verpflegungsstelle in Arch hatte ich zwar wieder das bewährte Cola getrunken, aber es reichte bei Weitem nicht. Also marschierte ich eben. Hatte ich bis jetzt eigentlich immer nur überholt, wurde nun ich ab und zu von einer Läuferin oder einem Läufer überholt. Mir war alles egal, wenn ich nur ins Ziel kam. Meine Zeit interessierte mich überhaupt nicht mehr.
Vor kurzem noch hatte ich einen Läufer mit roterm Trikot und roter Hose überholt, der gegangen war. Nicht lange dauerte es und er überholte mich, immer noch gehend. Sein Schritt war länger und kraftvoller und ich kam einfach nicht mit, der Abstand zwischen uns vergrößerte sich.
km 90: 39:48 Minuten (7:57/km) und Puls 119 - nicht berauschend, aber es ging gerade noch. An Rennen jedoch war nicht zu denken, selbst als ich an der Verpflegungsstation bei km 90,5 nochmals Cola und Wasser getrunken hatte. Eine innere Stimme redete mit mir: "Bevor du jetzt anläufst, geh erst mal bis da vorne der Weg wieder nach rechts abbiegt." Gegen einen solch deutlichen und sehr einleuchtenden Vorschlag hatte ich überhaupt nichts einzuwenden und führte die Anweisung widerspruchslos aus, ich marschierte also weiter, bis ich dann an der Biegung anlangte. Dann erst fiel ich in leichten Trab. Nach einigen Minuten ganz langsamen Joggens hatte ich den gehenden Läufer in Rot wieder ein- und überholt und ließ ihn hinter mir.
Wieder musste ich gehen und wieder wurde ich von ein paar Läufern überholt, u.a. auch dem Mann in Rot. Immer noch führte unser Weg parallel zur Autobahn und weit vor mir sah ich immer noch Läuferinnen und Läufer, die sich wohl auch plagen mussten. Die nächste Verpflegungsstation tauchte auf, Cola, Wasser und weiter ging es. Den Roten hatte ich wieder eingeholt und versuchte durch langsames Joggen den Abstand zu vergrößern, aber wieder musste ich gehen und wurde von ihm eingeholt. Auf diese Weise quälte ich mich in der Hitze vorwärts und wartete, bis endlich der Wald käme.
km 95: 42.39 Minuten (8:31/km), Puls 115. Keine guten Werte, aber mehr war einfach nicht mehr drin. Ab jetzt wollte ich nur noch gehen. Zum Glück gab es etwas Schatten. Der Weg verlief seit beinahe einem Kilometer am Rande eines Waldes, so dass die Sonne nicht mehr ganz so direkt auf uns scheinen konnte. Sofort war es angenehmer.
An Rennen war trotzdem nicht zu denken, im Gegenteil, ich suchte nach einer Stelle, an der ich mich kurz mal setzen könnte. Leider gab es keine Gelegenheit, keine Bank, keine Baumstämme, also ging ich wohl oder übel weiter. In der Zwischenzeit verlief der Weg im Wald, so dass die Hitze kaum mehr störte. Glücklicherweise kam dann tatsächlich eine weitere Verpflegungsstelle. Tja, die wissen schon, dass man selbst dreieinhalb Kilometer vor dem Ziel noch eine Stärkung braucht.
Ich holte mir einen vollen Becher Cola und setzte mich auf einen Stuhl, der da rum stand. In kleinen Schlucken trank ich das Cola und ganz langsam erholte ich mich, ein wenig Kraft kam zurück und ich konnte mir vorstellen, dass ich das Ziel ohne weitere Probleme erreichen könnte. Also raffte ich mich auf und verfiel in einen langsamen Joggingschritt.
Die beiden Kilometer von 95 bis 97 hatte ich in 10:39 bzw. 13:08 (mit Pause) geschafft, der nächste war dann dank der kurzen Erholungspause mit 7:49 wieder beinahe normal. Beim vorletzten Kilometer musste ich wieder ein Stückchen gehen und war mit 9:06 dann auch sofort wieder langsamer.
Der Weg führte jetzt aus dem Wald hinaus, nach rechts wieder in die Sonne und nach zwei Minuten wieder nach links auf die Zielgerade. Ich hatte noch so viel Kräfte, dass ich ganz flott rennen konnte und wohl ein einigermaßen ordentliches Bild abgab. Viele Zuschauer säumten die Gerade und spendeten mir freundlich Beifall. Normalerweise bin ich ja kein Freund von Beifall, den aber hatte ich verdient, weil hart erarbeitet. Ich freute mich sehr darüber. Der Sprecher kündigte mich mit Name und Land an und schon war ich über der Ziellienie.
km 100 - Ziel :-))) Geschafft! 12:36:02 Stunden, 7:33 Minuten pro Kilometer - gerade noch akzeptabel für jemanden, der eigentlich etwas unter 12 Stunden laufen wollte. Im Augenblick scherte mich das aber überhaupt nicht. Angelika kam mir entgegen und beglückwünschte mich. Sie hatte sich ein wenig Sorgen gemacht, weil ich so lange nicht gekommen war. Dann setzte ich mich auf die erst beste Bank, die direkt hinter dem Ziel stand. Ganz kurz musste ich mich erholen und schon war auch Jürgen da und gratulierte.
Hier nochmals eine Übersicht über die
Zwischenzeiten:
Jürgen |
Angelika |
Eberhard |
|||||
km | km | Platz | Platz | Platz | |||
38,6 | 3:42:49 - 5:46 | 4:40:41 - 7:16 | 4:40:41 - 7:16 | ||||
38,6 | 3:42:49 | 198 | 4:40:41 | 78 | 4:40:41 | 751 | |
20,3 | 1:46:53 - 5:15 | 2:23.25 - 7:03 | 2:23.25 - 7:03 | ||||
58,9 | 5:29:42 | 145 | 7:04:06 | 75 | 7:04:06 - 7:18 | 699 | |
23,3 | 2:14:47 - 5:47 | 2:48:58 - 7:15 | 2:48:58 - 7:15 | ||||
82,2 | 7:44:25 | 104 | 9:53:04 | 66 | 9:53:04 - 7:12 | 599 | |
17,8 | 1:44:24 - 5:51 | 2:18:54 - 7:48 | 2:42:59 - 9:09 | ||||
100 | 9:28:49 | 95 | 12:11:58 | 61 | 12:36:03 | 624 |
Wie man sieht ist Jürgen am Gleichmäßigsten gelaufen. Selbst auf den letzten Kilometern ist er kaum langsamer geworden. Auch Angelika war sehr gleichmäßig, bis auf die letzten 18 Kilometer, auf denen sie ein wenig langsamer wurde. Das Selbe bei mir, nur dass ich die letzten 18 Kilometer sehr viel stärker abgefallen bin. Insgesamt aber haben wir ein taktisch gutes Rennen gemacht, das sieht man an den Platzierungen, die mit fortschreitendem Kilometerstand kontinuierlich besser wurden, nur ich fiel am Ende etwas zurück.
Was bleibt?
Während des Laufes kam mir überhaupt nie in den Sinn, diesen Lauf nochmal zu machen. Gelacht hätte ich über so einen Vorschlag. Bereits kurz nach Zieleinlauf relativierte sich das und bereits am nächsten Tag war mir klar: "Diesen Lauf musst du nochmals machen!" Trotz aller Anstrengungen und auch Schmerzen, ist es doch ein erhebendes Gefühl, hundert Kilometer geschafft zu haben. Eigentlich falsch, nicht "trotz" sondern "wegen". Die hundert Kilometer sind ein Unternehmen, ein Projekt würde man im Geschäftsleben sagen. Das muss man planen, da muss man mit Überlegung ran gehen, im Vorfeld optimieren und dann im Rennen umsetzen. Ich habe schon eine Menge Ideen, was ich nächstes Jahr besser machen werde, damit ich den Lauf optimal durchhalte und hoffentlich unter 12 Stunden komme.
Angelika kann ich hier nur gratulieren zu ihrem fabelhaften Lauf. Wer diese Strecke nicht gelaufen ist, weiß nicht, was es bedeutet. Das waren nicht einfach nur 100 Kilometer. Da hat der Körper nur einen Teil einer großen Aufgabe, der Kopf jedoch muss das auch aus- und durchhalten. Bei ihr hat beides gestimmt, alle Hochachtung. Aber Angelika - in einem Jahr bin ich dir wieder dicht auf den Fersen und ab km 85 lege ich zu :-))).
Zu Jürgen (M 50) muss ich überhaupt nichts sagen, das ist ein fabelhaftes, ein traumhaftes Ergebnis. Wenn man als 95. von 1.922 gestarteten Läufern ins Ziel kommt bedeutet das bei einem solchen Lauf eine unglaubliche Leistung. Jedes weitere Wort würde dieser Leistung nicht gerecht. Also Jürgen - weiter so!
Ich hoffe, dass wir drei und noch der Eine oder die Andere aus Stammheim im nächsten Jahr wieder dabei sind. Auf jeden Fall aber muss der TV Stammheim mit mindestens einer Staffel dabei sein!
Biel ist
ein Erlebnis, der Lauf in der Nacht, die Strecke, die Landschaft,
die
Zuschauer, die Stimmung, die Anstrengung
- das muss nochmal gemacht werden.
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