Marathon des Sables 2003

Do., 3. - 14. April 2003

Etappe 5 - 42 km: Mein Rekordlauf

Statistik

Datum:
Freitag, 11. 4.
Temperatur:
47 °C, 6% Luftfeuchtigkeit um 12 Uhr Ortszeit
Wetter:
leichter Wind
Zeitlimit:
12 h, CP 3 musste nach 9 h erreicht sein
ausgestiegen:
1
 
Tagesergebnisse Etappe 5
 
Platzierung
Zeit [h]
Kmh
min/km
Erster:
--- 2:54:12 14,47 4:08
Eberhard:
384 (248 hinter mir) 6:45:35 6,21 9:39
Bernhard:
578 9:44:46 4,31 13:55
Letzter:
632 12:00:00 3,5 17:08

Um sechs Uhr wachte ich auf. Frühstück hatte ich keines mehr, nur noch ein vollkommen zerbröseltes Vollkornbrot von Bernhard. Ich fragte im Nachbarzelt und tatsächlich hatte Alfred, mit 69 Jahren unser ältester, mit mehreren Teilnahmen am MdS auch ein erfahrener Teilnehmer, noch einige Riegel übrig, die er mir überließ. Das Brot, die Riegel und eine Menge Wasser füllten also meine Speicher nochmals auf.

Wie üblich klebte ich meine drei gefährdeten Zehen ab. Die Blasen waren verschwunden, neue hatte ich keine bekommen, also konnte ich ganz unbeschwert laufen - und heute sollte es gelten! Das Durchkommen war für mich keine Frage mehr. Stand bisher stets folgende Reihenfolge fest,

  1. durchkommen,
  2. anständig ankommen,
  3. schnell ankommen,

habe ich Punkt eins für heute gestrichen: keine Frage, das war selbstverständlich. Punkt zwei wurde ebenfalls gestrichen, heute kam es nur auf Punkt drei an, egal wie ich auch ankommen würde; Blasen wurden in Kauf genommen! Damit sich die zu erwartenden Schmerzen in Grenzen hielten, nahm ich vorbeugend eine Voltaren-Kapsel.

So eingestellt begab ich mich an den Start. Bernhard saß immer noch die lange Etappe im Körper, seine immer noch engen Schuhe drücken ihn und mahnten ihn zur Vorsicht. Verglichen mit vielen anderen waren aber seine Füße in Bestform, trotzdem war er heute mal zur Abwechslung ein großer Bedenkenträger und mahnte mich, nicht übermütig zu werden. (Wahrscheinlich hatte er große Sorgen, dass ich ihm noch mehr Zeit abnehme :-).)Ich ließ mich aber nicht irritieren und lief mit dem Startschuss um 9 Uhr sofort los.

Die erste Kontrollstelle war bei Kilometer 10. Bisher rechnete ich, wenn es gut lief, mit zwei Stunden Wandern pro zehn Kilometer. Wenn der Untergrund so blieb, müsste ich heute deutlich schneller sein. Tatsächlich rannte ich auch bei sandigem Untergrund; ich war einfach nicht zu bremsen in meinem Drang.

Sechs Salztabletten, zwei Power Gel und einen Riegel hatte ich noch, das musste ausreichen. Nach etwas mehr als einer Stunde kam bereits die Kontrollstelle in Sicht. Ich nahm mein erstes Power Gel und eine Salztablette. Nach 1:27 Stunden erreichte ich CP 1 (km 10). Das war ein Gefühl! Nicht mehr zwei Stunden Langeweile, sondern ein kurzweiliger Lauf und schon ein Viertel hinter mir. Ich ließ meine Wasserkarte abstempeln, nahm eine Flasche Wasser, leerte kurz Schuhe und Socken und weiter ging es. Auf dem nächsten Abschnitt gab es mehrere "Oasen", also Dünen und damit Sand als Untergrund und viele Kinder, die etwas geschenkt bekommen wollen. Letztere hielt ich mir mit meiner Strategie vom Leib, sie auf deutsch anzusprechen und damit zu signalisieren, dass ich nicht verstehe, was sie wollen. Dem Sand aber konnte ich nicht ausweichen, trotzdem lief ich mit "leichtem Schritt", wie ich es bei den Spitzenläufern gesehen hatte. Heute wollte ich mal meine Kraft verpulvern. Immer wieder waren bis jetzt auch anspruchsvolle Schotterstellen zu passieren. Normalerweise kein Problem, bei meinem heutigen Tempo aber wurden die Füße in den Schuhen ganz anders beansprucht: viele Drehbewegungen beim Aufsetzen und Abstoßen belasteten die Haut. Tatsächlich spürte ich, wie sich an meiner rechten Ferse eine Blase zu bilden begann. Ich hielt an, reinigte Schuhe und Socken und brachte ein Tape an der gefährdeten Stelle an. Tatsächlich genügte das, um mich vor einer Blase zu bewahren.

Für die nächsten zehn Kilometer bis CP 2 (km 20) brauchte ich dann auch ein wenig länger: 1:36 Stunden, immer noch prima für meine Verhältnisse. Die Kontrollstelle lag ganz idyllisch mitten in einer winzigen Ansiedlung unter Palmen. Trotzdem hielt ich mich nur zum Wasserfassen auf und lief dann sofort weiter. Erst nach etwa einem Kilometer setzte ich mich hin, um Schuhe und Socken zu leeren und meine bereits wieder schmerzenden Fußsohlen ein wenig zu massieren und weiter ging es. Kurz vor CP 2 hatte ich den Energieriegel gegessen und konnte so mein letztes Gel für den Schluss aufbewahren.

Obwohl die 12 Kilometer bis zur nächsten Kontrollstelle recht gemischten Untergrund aufwiesen, Schotter und immer wieder Sand, mal weich mal fest, brachte ich die beinahe nur rennend hinter mich. Es ist einfach phantastisch, wenn die Kilometer nicht so zäh vergehen, wie beim Wandern. Allerdings kam ich nach 2:03 Stunden auch recht ausgepowered an CP 3 (km 32,5) an. Ich entfernte nochmals den Sand, erneuerte das Tape, nahm mein letztes Power Gel und machte mich auf die "Socken".

Diese letzten 9,5 Kilometer waren dann auch recht zäh, trotzdem rannte ich den größten Teil, wechselte zur Erholung aber immer wieder ins Marschieren, vor allem auch, wenn der sandige Untergrund mal wieder schlecht zu laufen war. Gegen Ende wurde es dann immer steiniger und recht gut zu laufen. Als ich dann das Ziel in etwa zwei Kilometer Entfernung sah, gab mir das nochmal einen Schub und ich rannte sie vollends in flottem Tempo.

Platz 385 und 6:45 Stunden waren dann auch die verdiente Belohnung für meine Anstrengungen. Natürlich lagen schon wieder alle fünf Jungs im Zelt. Bei solchen Genossen kann man sich anstrengen wie man will, man wird allerhöchstens sechster! Bis auf Christian waren alle mit ihrer Platzierung zufrieden, sie hatten sich meist verbessert. Christian war jedoch stark eingebrochen. Immer wieder war es ihm unterwegs schwindlig geworden und er musste sich drei -oder viermal hinlegen. Dadurch rutschte er vom 6. Gesamtplatz auf den 11. zurück. Schei.., das hatte er nicht verdient. Vermutlich hatte er den Salzverlust unterschätzt und hatte daher seine Bewußtseinsstörungen. Nun - 11. war auch nicht schlecht und die würde er morgen schon verteidigen. Verbessern konnte er sich allerdings nicht mehr, dazu war der Abstand zum Zehnten zu groß.

Ich erledigte mein übliches Procedere, bis dann, etwa drei Stunden nach mir, Bernhard eintraf. Wieder jammerte er über seine engen Schuhe, die eine bessere Zeit verhindert hätten. Wieder beeindruckte mich das recht wenig. Wer seine Lust immer vor die Pflicht stellt, muss eben auch die Konsequenzen tragen. Dazu kam natürlich, dass seine Füße den Belastungen nicht mehr gewachsen waren und etwas angeschwollen waren. Dass ihn das stark belästigte, war schon einzusehen, ein wenig Mitgefühl hätte er vielleicht verdient gehabt.

Wieder machte ich für uns beide heißes Wasser. Von Vittorio hatte ich ein Packet Travellunch bekommen, so dass ich wie üblich zwei Portionen essen konnte. Damit waren dann auch meine sämtlichen Essensvorräte weg. Einen kleinen Riegel hob ich mir noch für das Frühstück am nächsten Morgen auf.

Zwischen 20 Uhr und 21 Uhr stand ich wieder mit einigen anderen im Zielbereich und feierte die letzten Läuferinnen und Läufer. Alle kamen noch rechtzeitig vor Zielschluss an. Die noch Langsameren hatte man schon an CP 3 aus dem Rennen genommen, weil sie das dortige Zeitlimit nicht einhalten konnten.

Um 21.15 lag ich wieder außerhalb des Zeltes im Schlafsack, schrieb Tagebuch und machte gegen 21.50 Uhr das Lich zum Schlafen aus. Wider Erwarten schlief ich etwas unruhig diese Nacht.

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Letzte Änderung:
13. August 2009

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