Waldhessen-Marathon

Sa., 28. September 2002

Wie schon bei den Berichten meiner vorhergehenden Marathons ausgeführt, ist der Schwäbische Alb Marathon das Laufereignis in diesem Herbst, auf das ich mich vorbereiten wollte. Da dieser Ultra Lauf über 50 Kilometer geht und obendrein 1.100 Höhenmeter zu überwinden sind, wollte ich mich bei einigen Trainingsmarathons auf diese lange Distanz vorbereiten. Da kam mir der Waldhessen Marathon gerade recht. Vier Runden mussten gelaufen werden, jede mit einer Höhendifferenz von 138 Metern (138 hoch und 138 runter), das summierte sich dann auf 552 Höhenmeter, gerade die Hälfte vom Schwäbisch Alb Marathon, also sehr geeignet als Trainingslauf.

Der Waldhessen Marathon findet am Ortsrand von Bad Hersfeld statt und verläuft komplett im Wald. Bei schönem Wetter sicher eine ideale Laufstrecke. Dazu kam ein unglaublich günstiges Startgeld von 6 Euro - alle Achtung! Für nochmals 15 Euro konnte man in der Jugendherberge nach dem Lauf übernachten und für weitere 7 Euro gab es noch ein Abendessen, alles in Allem ein sehr günstiges Vergnügen.

Um 12 Uhr war Start. Ich fuhr gegen 8. 30 Uhr in Stuttgart los und war nach nicht ganz drei Stunden bereits in Bad Hersfeld an der Jugendherberge. Dort bekam ich meine Startunterlagen und wurde in ein Sechs-Bett-Zimmer eingewiesen, das ich aber alleine bewohnte. Bernhard war mit zwei Bekannten, Elisabeth und Helene angereist und schon einiges länger da.

Ein Trainingslauf bei Bad Hersfeld

Von der Jugendherberge gingen wir etwa 10 Minuten bis zum Start. Pünktlich um 12 ging es los. Erst ein Wendepunktstück von 800 Metern und dann ging es in die erste Runde. Hoch den Weg und nach 200 Meter schon die erste Verpflegungsstelle. Ohne anzuhalten passierten wir sie, die würden wir erst in der zweiten Runde anlaufen. Wir ließen es gemütlich angehen, Bernhard, weil er eben ein sehr langsamer Läufer ist, der seine Langsamkeit immer dadurch begründet, dass er nicht schneller laufen wolle, weil es ihm sonst keinen Spaß machen würde - klar, wenn man eben schlecht trainiert, sich nie anstrengen will - und ich, weil ich heute einen Trainingslauf machen wollte. Erst die letzten 15 Kilometer wollte ich schneller machen.

Uns angeschlossen hatte sich Günter, der zwar auch schneller könnte, aber gerne auch mal langsam lief. Bernhard erklärte mir mal wieder zum x-ten Mal seinen Blödsinn mit dem unbedingt notwendigen Krieg im Irak, lobte die Amis ob ihrer Weitsicht (ha ha - Weitsicht nennt man das also) und war ganz geknickt, dass Rot-Grün vor einer Woche die Wahl gewonnen hat, diese Weicheier, die nicht einsehen wollen, dass Krieg führen eine Freude ist und vor allem müsse ja doch unbedingt, ganz klarerweise, jeder sieht das doch, dieser Saddam weg! Ganz offensichtlich, ganz klar, wenigstens für Bernhard! Ich ärgerte ihn ein wenig, widersprach hier und da und Bernhard wurde ganz fuchsig. Günter konnte das nicht mehr anhören und lief etwas voraus. Eigentlich hat er ja auch Rot-Grün gewählt, aber nur deshalb, weil die während der vergangenen Legislaturperiode die Vermögenssteuer abgeschafft haben. Wie alle Menschen, die bereits eine Menge Geld haben, will eben auch Günter von seinem vielen Geld nichts hergeben. Er wiederum ärgerte sich darüber, dass er Rot-Grün gewählt hat, denn die neue Regierung hatte nichts anderes zu tun, als zu überlegen, die Vermögenssteuer wieder einzuführen.

Während wir uns also blendend unterhielten und Bernhard und ich die Welt verbesserten, er durch Krieg an allen möglichen Orten, ich durch das Verhindern von Krieg, trotteten wir durch den schönen Wald. Ich rannte immer wieder mal nach vorne und machte ein Bild und schloss mich dann den Beiden wieder an. Helene und Elisabeth waren schon von Anfang an noch etwas langsamer angegangen und daher deutlich hinter uns. Günter war jetzt Bernhards lahmarschiger Trott zu langsam geworden und er setzte sich langsam nach vorne ab. Die Strecke war so anspruchsvoll wie erwartet, aber bei unserem Tempo kein Problem. Obwohl es nicht besonders kalt war, hatte ich mir eine langärmlige Jacke angezogen, was ich aber bald bereute, denn an den Steigungen kam man schon ins Schwitzen. Sobald ich die erste Runde hinter mir hatte, würde ich die Jacke ausziehen und an der Verpflegungsstelle ablegen.

Die Verpflegungsstelle nach etwa fünf Kilometern hatten wir erreicht, etwas getrunken und trotteten jetzt weiter. War es bisher tendenziell eher hoch gegangen, ging es jetzt eben und ab und zu bergab, kaum noch bergauf. Der Weg war sehr gut zu laufen, die Abzweigungen gut markiert und der Wald wirklich schön, vorwiegend Laubbäume, dazwischen aber auch Nadelbäume. Wäre es heute heiß gewesen, wären wir bestens geschützt gewesen.

Unser Gesprächsthema hatte vom politischen zum Laufen gewechselt. Zwar hatte Bernhard seinen Unfug, den er da über Drohungen, Saddam und den Krieg erzählte, immer noch nicht als solchen erkann, hatte wohl aber jede Hoffnung aufgegeben, mich überzeugen zu können. Dazu kam, dass er über das Laufen unablässig reden konnte. Das war sein Leben, alles andere wurde dem nachgeordnet. Und so redeten wir also über alle möglichen Laufthemen. Er wollte mich überzeugen, dass ich den Ultra-Lauf über 127 km auf La Reunion im Oktober nächstes Jahr mitmachen müsse, überlegte, ob er vielleicht kommenden April den Marathon des Sables laufen solle, plante die Läufe kommendes Jahr, war ganz stolz über seine vielen Marathons (etwa 37 in den zwei Jahren, seit er überhaupt läuft), erzählte immer wieder vom Badwater Ultramarathon (217 km an einem Stück durch das Death Valley, 4.300 Höhenmeter), von seinem 100-km-Lauf in Biel dieses Jahr und dass er so langsam laufe, weil er nur dann die Läufe richtig genißen könne. Beim 100 Marathon Club wolle er sich anmelden, die nähmen ihn auch schon als Anwärter auf und übrigens würde es ja nur noch etwa drei Jahre dauern, dann hätte er die 100 Marathons gemacht.

Die erste Runde hatten wir hinter uns: 1.09:53 h, erbärmliche 6:43/km, aber mir sollte es egal sein, ich würde später noch zulegen. Meine Jacke konnte ich wie geplant abgeben und lief jetzt wie befreit in die zweite Runde. Die Themen wiederholten sich, erweiterten sich auf familiäre und persönliche Dinge und auch die zweite Runde war genau so langsam wie die erste. Auf der dritten Runde begann Bernhard zu schwächeln, kaum ging es leicht bergauf, begann er zu gehen. Immer wieder musste ich ihn antreiben, obwohl ich wusste, dass es nichts nutzte.

An der Verpflegungsstelle in der Mitte der Runde trennten wir uns. Bernhard machte noch ein Bild von mir, gab mir die Kamera wieder und dann lief ich in schnellerem Tempo weiter. War bisher mein Puls bei etwa 118, ging er sofort hoch auf 143. Tatsächlich war ich dann mit 5:20/km auf den nächsten fünf Kilometern deutlich mehr als eine Minute pro Kilometer schneller. Am Beginn der letzten Runde gab ich die Kamera auch noch ab. Völlig unbeschwert konnte ich jetzt laufen. Die nächsten drei Kilomter war ich mit 5:30/km wieder etwas langsamer, trotzdem eine gute Zeit, denn hier waren die meisten Höhenmeter zu machen. Ich fühlte mich super und hatte auf der letzten, langezogenen Steigung schon wieder einige Läufer eingeholt. In meiner Freude über meine gute Form machte ich jetzt aber einen verhängnisvollen Fehler. An der nächsten Abzweigung achtete ich nicht auf die Markierungen und lief geradeaus, anstelle nach links. Obwohl ich da heute schon drei Mal vorbeigekommen war, fiel mir mein Fehler nicht gleich auf. Bereits einen halben Kilometer war ich falsch gelaufen, der Weg führte immer steiler nach unten und erst jetzt kamen mir erste Zweifel. So einen steilen Weg waren wir doch heute noch nie runter gelaufen? Ich hielt an, pinkelte erst Mal und drehte dann um. Die Läuferin, die ich kurz zuvor überholt hatte, müsste längst da sein, wenn der Weg richtig wäre. Also wieder hoch den Weg. Zum Glück kamen da gerade zwei Wanderer, die sofort erkannten, dass ich mich verlaufen hatte. Sie zeigten mir eine Abkürzung zurück auf den richtigen Weg. Mühselig kämpfte ich mich den schlechten Weg nach oben. Endlich war ich wieder auf der richtigen Strecke. Da ich aber heute keine bestimmte Zeit laufen wollte, ärgerte mich mein Fehler nicht. Ich nahm sofort mein altes Tempo auf und kam bald an die Verpflegungsstelle. Für den letzten Kilometer hatte ich doch tatsächlich 10:04 benötigt. Da hatte mich mein Verlaufen wohl fünf Minuten gekostet.

Immer noch war ich gut drauf, so dass ich die nächsten Kilometer mit 5:15, 5:04 und 5:25 schaffte. Jetzt waren es nur noch zwei Kilometer und es ging ausschließlich eben oder leicht bergab. Ich legte etwas zu und lief sie mit jeweils 4:40. Am Ende waren es 4:25:22 h. Ich war zufrieden mit mir und den schnellen 15 Kilometern am Ende des Laufes.

Als ich zur Verpflegungsstelle kam, um Jacke und Kamera abzuholen, war beides nicht mehr da. Man hatte meine Sachen bereits zur Jugendherberge transportiert. Da haben die nichts gedacht, sonst hätten sie die Sachen bei den Leuten am Ziel hinterlegt, das nur ein paar Meter entfernt war. Leicht fröstelnd wartete ich also in meinen feuchten Klamotten auf Bernhard und die Frauen. Beinahe eine halbe Stunde dauerte es, bis er endlich auftauchte. Wie immer, hatte er auf den letzten Kilometern stark abgebaut. Kurz danach kam Helene und nicht lange danach Elisabeth. Beim Rückweg zur Herberge bemerkte ich, dass mich die schnellen Kilometer doch mehr angestrengt hatten, als erwartet. Alle möglichen Stellen schmerzten beim Gehen. Dazu kam die Kälte, die mir beim Warten in alle Glieder gekrochen war. Hoffentlich waren die Duschen noch warm.

Noch nie habe ich nach einem Lauf besser geduscht. Da wir so spät ankamen, waren die Duschen menschenleer und das Wasser schon wieder heiß. Mit Bernhard war ich mir einig, dass sich alleine für eine solche Dusche alle Entbehrungen während eines Laufes rentieren. Das Abendessen in der Herberge war von einem ansässigen Kurhotel ausgerichtet und schmeckte ausgezeichnet. Die Siegerehrung war erfreulich kurz.

Elisabeth verabschiedete sich. Sie musste noch heute zurück, denn am nächsten Tag fuhr sie mit der Familie in Urlaub. Helene, Bernhard, Günter und ich gingen noch nach Bad Hersfeld und ließen den Abend bei einem guten Steak und einem Wein ausklingen. Günter trank etwas zu viel, redete unablässig und legte sich wohl betrunken in seinen VW-Bus zum Schlafen. Wir anderen drei gingen in unsere Herbergszimmer.

Am nächsten Morgen bekamen wir noch ein ordentliches Frühstück und fuhren dann wieder nach Hause.

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Letzte Änderung:
13. August 2009

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