Siebengebirgsmarathon

So., 8. Dezember 2002

Mein zwölfter Marathon dieses Jahr, gleichzeitig mein letzter in diesem Jahr, nicht der langsamste sollte es werden, aber natürlich auch nicht mein schnellster. Das habe ich mir vorgenommen, nachdem ich vergangenes Wochenende in Arolsen meinen langsamsten Marathon überhaupt gelaufen bin. Der heutige Marathon geht über 550 Höhenmetern . Mal sehen, was für eine Zeit rauskommt.

Ein Trainingslauf bei Bonn

Schon wieder so früh raus aus den Federn! Für mich als passioniertem "spät-zu-Bett-Geher" war das echt eine Überwindung. Aber Bonn liegt nun eben drei bis vier Stunden von Stuttgart entfernt und um 10 Uhr sollte Startschuss sein. Um 4.45 Uhr klingelte der Wecker, Laufklamotten anziehen, eine Kleinigkeit essen und los ging es kurz vor 5.30 Uhr. Sonntag morgens ist es auf der Autobahn schön leer und nach etwas mehr als drei Stunden war ich gegen 8.40 Uhr im Aegidienberger Bürgerhaus. Aegidienberg liegt in der Nähe von Bonn Bad Godesberg (Süd-Ost), wenige Kilometer von der Autobahnausfahrt entfernt.

Die Abholung der Startunterlagen klappte problemlos, obwohl sich schon jede Menge Läuferinnen und Läufer im Bürgerhaus aufhielten. Draußen war es wirklich nicht besonders angenehm - so um die zwei Grad Minus zeigte das Thermometer. Beim Marathon vor einer Woche in Bad Arolsen war ich zu warm angezogen, das wollte ich diesmal vermeiden, wurde aber von den tiefen Temperaturen abgeschreckt. Kurzärmliges Unterhemd, langes Laufhemd drüber und noch eine langärmlige Jacke. Trotzdem war mir kalt. Handschuhe hatte ich dabei, eine Mütze nicht. Bereits auf den hundert Metern vom Auto zum Bürgerhaus fror ich an den Ohren. Der Verkaufsstand im Innern des Bürgerhauses hatte noch genau EINE Mütze, keine die mir gefiel, aber was blieb mir anderes übrig, ich kaufte eben die Wollmütze.

Ich hatte mir zwei Brote mitgenommen, belegt mit Käse, die ich jetzt aß, dann noch eine Banane und ich war für den Lauf gerüstet. So gegen 9.35 Uhr ging ich dann mit all den anderen Läufern Richtung Start, der etwa 10 Minuten Fußweg vom Bürgerhaus lag, am Rande von Aegidienberg. Im Startbereich traf ich auch Bernhard, der heute sein eigenes Tempo laufen wollte, was mir recht war, da ich mir ein flotteres Tempo vorgenommen hatte, das nie und nimmer mit ihm zusammen möglich wäre. Bei mir war noch Günter, der so um die vier Stunden laufen wollte, heute etwas zu schnell für mich. Bevor es losging wurden wir noch auf allerlei aufmerksam gemacht, u.a. auf die angeblich gefährlichen Wildschweine, die sich im Naturpark aufhalten sollen. Die haben aber vermutlich mehr Angst vor der Läufermasse, als wir vor ihnen. Auch die Strecke sollten wir nicht unterschätzen, nicht umsonst würde der Lauf Siebengebirgsmarathon heißen - also wohl ein Lauf über sieben Berge?

Knapp 600 Läuferinnen und Läufer setzten sich nach dem Startschuss mehr oder weniger gemächlich in Bewegung. Erst Mal liefen wir zurück in den Ort und ein paar hundert Meter die Hauptstraße entlang, bis es dann raus in die Landschaft und in den Wald ging. Aus dem Höhendiagramm entnahm ich, dass es erst mal etwa vier Kilometer tendenziell abwärts ging. Die Läuferschlange war recht dicht, ich konnte trotzdem mein Tempo laufen, ohne behindert zu werden. Leider sah ich keine Kilometermarkierungen, so dass ich mein Tempo nur nach meinem Gefühl steuerte. Die Wege waren nicht besonders leicht zu laufen, Naturwege eben, immer wieder mal geschottert, so dass die Oberfläche recht anspruchsvoll war. Man musste schon aufpassen, dass man immer sauber auftrat. Aber wer bei einem Landschaftslauf Asphaltwege erwartet ist selbst Schuld.

Bei Kilometer fünf sah ich das erste Mal ein Schild mit einer Kilometerangabe, so dass ich eine Rückmeldung über meine Geschwindigkeit hatte: mit 5:41 min/km lag ich gar nicht so schlecht, etwas schneller als mein angepeilter Schnitt von etwa 6 min, aber es ging ja etwas bergab. Knapp vor Kilometer fünf hatten wir die tiefste Stelle der Strecke (215 Meter) erreicht und danach ging es bis etwa Kilometer zehn stets leicht bergauf, auf etwa 385 Meter, keine Höhe, aber für die Bonner Gegend offensichtlich ein "Gebirge" ;-)))? Tatsächlich sank auf diesen fünf Kilomtern mein Schnitt um eine Minute auf 6:40 /km. Kein Problem, dies war die längste Steigung, ab jetzt zeigte zwar das Profil ein ständiges Auf und Ab, aber nicht mehr so lange Anstiege - das Höhendiagrmm sah furchterregender aus, als die Wirklichkeit sein musste - alles ist eben eine Sache des Maßstabes und der verzerrte auf diesem Diagramm die tatsächliche Situation.

War mir auf den ersten Kilometern noch recht kalt und meine neue Mütze dringend notwendig, änderte sich das langsam. Die Temperatur lag zwar weiterhin stets um Null Grad, aber mein Kreislauf war jetzt auf Touren und mir war warm, sogar meine Handschuhe konnte ich zeitweise ausziehen. Dazu kam, dass wir strahlend blauen Himmel hatten und die Sonne sich in voller Pracht zeigte. Immer wenn man in der Sonne laufen konnte, war es spürbar wärmer. Die Strecke führte großenteils durch Wald, viel Laubbäume, so dass die Sonne sehr häufig zwischen den kahlen Bäume hindurch scheinen konnte, war ein Abschnitt Tannenwald, verschwand sie regelmäßig hinter den Bäumen. Der blaue Himmel, die Sonne und die schöne Strecke hoben jetzt die Stimmung spürbar, verglichen mit den trüben, kalten Tagen vergangene Woche war das heute eine Wonne.

An der ersten Verpflegungsstelle trank ich einen Becher eiskaltes Iso-Getränk, obwohl ich noch keinen Durst hatte, aber überall wird man ja "beschwätzt", man solle trinken, bevor man Durst hat. Bisher lief ich noch alleine, war darüber ganz dankbar, da kann man ganz seinen eigenen Gedanken nachhängen. Nachdem ich die letzten Kilometer alles berufliche "durchgegangen und abgehakt" hatte, kreisten meine Gedanken um den Lauf, meinen Körper und meine Zeit, die ich schaffen wollte. Bisher war ich jeden Anstieg gelaufen und wenn ich das durchhalten konnte würde ich vielleicht die 4:10 h schaffen, die ich anvisiert hatte. Üblicherweise merke ich eine eventuelle Schwäche immer zuerst in meinen Oberschenkeln; wenn ich da bis Kilometer 20 keine Signale bekomme, dann läuft es recht gut. Also achtete ich vorwiegend auf diese Muskeln und nachdem ich den langen Anstieg auf den ersten Berg geschafft hatte, fühlte ich mich nach diesen ersten zehn Kilometern noch recht ordentlich, weitaus besser, als vergangenes Wochenende.

Kilometer fünfzehn, der Schnitt auf den letzten fünf Kilometern war mit 5:56 /km wieder genau in meinem Plan, trotz des ständigen Bergauf und Bergab, aber ich spürte, dass ich mich vom Marathon vor einer Woche noch nicht ganz erholt hatte. Einen Rekord würde ich heute nicht laufen ;-). Dazu kam, dass ich schon seit einigen Kilometern an meiner rechten Fußsohle ein leichtes Drücken und Reiben bemerkte. Ganz unmerklich scheuerte da meine orthopädische Einlegesohle, die ich mir wegen meiner Fersenprobleme hatte machen lassen - wenn ich da nicht aufpasste, würde das eine Blase geben. Weitere zehn Kilometer wäre das sicher kein Problem, aber es waren noch 27 Kilometer! Oh je, sollte das mein erster Marathon werden, der mir eine Blase bescherte? Die nächsten Kilometer konzentrierte ich mich also auf meinen rechten Fuß, versuchte so leicht wie möglich aufzutreten, aber der Weg war eben nicht asphaltiert und obendrein immer wieder geschottert, oder mal mit Furchen durchzogen, da ist kein sauberes, gleichmäßiges Auftreten möglich.

Aus verschiedenen Erfahrungen wusste ich, dass man, sobald man eine leichte Blase hat, schon verspielt hat. Also galt es, irgendwas zu ändern, bevor es so weit war. Wenn ich die Einlegesohle entfernte, dann müsste ich auf dem blanken Innenleben des Schuhs laufen und das ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Während ich so vor mich hin lief, gingen mir immer wieder solche Gedanken durch den Kopf. Die Strecke führte weiter durch den Wald, unterbrochen mal von einer Wiese rechts oder links, eben war es nie, aber es ging auch nicht besonders steil hoch und runter. Da meine Oberschenkel aber bereits jetzt zarte Hinweise gaben, legte ich an den Steigungen ab und zu eine kurze Gehpause ein. Trotzdem war ich bis Kilometer 20 mit 2:01 h noch einigermaßen in der Zeit, der Schnitt mit 5:50 auf den letzten fünf Kilometern immer noch ganz gut, aber mein rechter Fuß würde diesen Lauf vermutlich nicht ohne Blase durchhalten, die Einlegsohle musste raus. Im linken Schuh hatte ich keine Einlage, um aber die selbe Höhe zu bekommen wie im rechten Schuh, hatte ich dort unter der normale Sohle eine Noene-Sohle. Wenn ich die rausnahm und "verkehrt" herum in den rechten Schuh legte, wäre das vermutlich die Lösung. Da ich auch noch ein dringendes Bedürfnis hatte (klugerweise hab ich immer Toilettenpapier dabei), wartete ich, bis mal wieder ein Stück Tannenwald kam und ging ging dann rechts weg. Anschließend setzte ich mich auf einen Baumstumpf, nahm den Sohlentausch vor und weiter ging es. Die Einlegesohle verstaute ich so in meiner Jacke, dass sie mich beim Laufen nicht störte. Alles in Allem hat mich das wohl um die fünf Minuten gekostet, was ich dann bei Kilometer 25 sah: 7:42 min/km auf den letzten fünf Kilometern.

Der erste Eindruck beim Laufen war nicht schlecht und mein gutes Gefühl verstärkte sich auf den nächsten Kilometern - auch diesen Lauf würde ich wohl ohne Blasen hinter mich bringen :-)! Nachdem also meine Fußprobleme gelöst waren, konnte ich mich wieder auf die Strecke, das schöne Wetter und meine restlichen Körperteile konzentrieren. Leider bemerkte ich immer deutlicher Schwächen in den Oberschenkeln - also würde ich die Steigungen weiterhin besonnen nehmen müssen und an steileren Passagen auch mal gehen. Durch die unfreiwillige Pause war jedoch mein Plan von 4:10 h eh schon hinfällig geworden, so dass mir das nichts ausmachte. Von meinen Mitläuferinnen und Läufern um mich herum hatten die Meisten die selbe Strategie, so dass ich weder abfiel noch überholte.

Viele Kilometer ging es die schöne, abwechslungsreiche Strecke durch den Wald, an den Verpflegungsstellen gab es jetzt Bananenstückchen und auch Cola, so dass ich damit meine Energieen auffrischen konnte. Jetzt, wo ich das gerade schreibe, wird mir wieder ganz intensiv bewusst, wie schön es doch ist, wenn man laufen kann, was das für ein wunderbares Gefühl ist, wenn man weiß, dass man solche Anstrengungen bewältigen kann. In dieser Phase des Laufes wurde mir die Schönheit der Strecke und dieses Tages mit so richtig bewusst und ich fühlte mich wohl.

Die fünf Kilometer bis dreißig brachte ich recht effektiv hinter mich, aber mit 6:20 min/km etwas zu langsam. Schon seit diesem Sommer laufe ich alle langsamen Marathons so, dass ich auf den letzten Kilometern noch genügend Kraft habe und etwas schneller laufen konnte. Dies hatte ich auch heute vor, angesichts der bergigen Strecke aber, die bei Kilometer 36 nochmals einen Höhepunkt erreicht, wollte ich erst auf den letzten sieben Kilometer zulegen. Damit ich bei Kräften blieb, aß ich an jeder Verpflegungsstelle zwei Bananenstückchen und trank einen Becher Cola. So ab etwa Kilometer 33 ging es drei Kilometer lang stets sanft bergauf, insgesamt etwa 130 Höhenmeter. Mein Schnitt bis Kilometer 35 war dann auch mit 6:50 wieder schlechter geworden. Ich fühlte mich aber noch recht gut und legte etwas zu.

Bisher war die Organisation sehr gut, Startnummernausgabe, Streckenführung, Verpflegungsstellen, alles ganz prima. Einzig die sparsamen Kilometerschilder jeweils nur alle fünf Kilometer. Das war noch zu akzeptieren, jetzt aber vermisste ich schmerzlich die Schilder für jeden einzelnen Kilometer. Ich hatte gehofft, dass man die letzten Kilometer jeden einzelnen anzeigen würde - leider war dem nicht so, so wusste ich nicht genau, wie schnell ich war, nurmeine Pulswerte lagen etwa 10 bis 15 Schläge höher und zeigten, dass ich schneller sein musste. Nachdem ich die letzte Berghöhe bei Kilometer 36 hinter mich gebracht hatte, ging es nur noch bergab oder eben, so dass ich bis Kilometer 40 meinen Schnitt um über eine Minute auf 5:49 /km verbesserte. Wieder hatte ich auf den vergangenen Kilometern nur noch überholt. Als ich dann das 40er Schild sah, legte ich nochmals zu und überholte Läuferin um Läufer. Die Strecke führte jetzt wieder nach Aegidienberg hinein und auf dem Gehweg der Hauptstraße entlang bis zum Bürgerhaus. Im Vorbeilaufen fragte ich einen Streckenposten, der eine Querstraße absicherte, wie weit es ins Ziel sei. "Noch 300 Meter!"

Noch eine Rechtskurve und nach 50 Metern nochmals nach rechts eine Rampe hinunter geradewegs auf einem Teppich ins Bürgerhaus hinein. Das Ziel war in der Halle selbst, wo bereits die schnelleren Läuferinnen und Läufer mit ihren Angehörigen saßen, etwas tranken und aßen und den Einlaufenden Beifall spendeten.

Sofort nach dem Zieldurchlauf wurde mir eine Medaille umgehängt und ich bekam ein Rosinenbrötchen. Aber erst Mal musste ich mich setzen, um mich zu erholen. Die letzten zwei Kilometer waren mit 5:20 / km die schnellsten dieses Laufes. Mit meiner Zeit von 4:25 h war ich dann auch sehr zufrieden - nicht ganz so schnell wie geplant, aber angesichts der anspruchsvollen Strecke ganz ok. Bereits nach wenigen Minuten war ich wieder erholt, trank etwas, nahm zwei Becher Fleischbrühe und aß mein Brötchen und noch eine Brezel.

Nach dem Duschen trank ich noch mit Günter zwei Kölsch, Bernhard gesellte sich noch kurz dazu - auch er war heute mit sich zufrieden - und fuhr dann wieder nach Hause.

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Letzte Änderung:
13. August 2009

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