Das hatte ich mir vorgenommen, nochmals mindestens 12 Minuten schneller als in Frankfurt 2000 :-), ob es aber auch zu schaffen war?
Nachdem ich mein Training in den letzten Wochen wie geplant durchführen konnte, sah ich dem Lauf in Paris einigermaßen gelassen entgegen. In Fankfurt im Herbst 2000 war es ja schon ganz gut gelaufen (4:11:09, km-Schnitt 5:57). Wenn das vergangene Training erfolgreich war, dann konnte ich die Zeit verbessern - endlich unter 4 Stunden laufen. Meine 10 Km Zeit von 44 Minuten deutete ja nach der Umrechnungsformel von Manfred Steffny (10k-Zeit mal 4,666) auf eine Zeit von 3:30 Stunden. Das wäre aber zu vermessen gewesen. Erst mal also unter 4 Stunden und dann wollte ich weiter sehen, Paris sollte ja nicht mein letzter Marathon werden. Berlin im Herbst und Rom im Frühjahr 2002 sind schon fest eingeplant.
Das Training war eigentlich sehr gut gelaufen und bestärkte mich in meinen Hoffnungen. Mein vorletzter langer Lauf (Fr. 16.3.) zeigte mir allerdings wieder deutlich die Gefahren von langen Strecken. Ich wollte 35km laufen, das Wetter war endlich einmal ideal (sonnig, 16°). Ab km 26 spürte ich dann aber, daß ich mein Ziel nicht erreichen würde. Ich hatte zuwenig getrunken und nichts gegessen und spürte wieder die selben Symptome wie bei meinem Einbruch bei meinem ersten Marathon. Nach km 29 mußte ich mich erschöpft ausruhen und bei km 31 war es endgültig aus. Ich konnte nur noch gehen, wieder wurde mir schlecht und ich mußte dringend hinter einen Busch. War das ein schlechtes Omen?
Ich nahm mir für meinen letzten langen Lauf vor, Essen und Trinken wettkampfmäßig zu organisieren. Und tatsächlich lief es dann auch wie erwartet gut (Fr. 30.3.). Paris konnte kommen, die Zeit unter 4 Stunden war realistisch und wenn nichts dazwischen kam, mußte ich es auch schaffen können.
Am Donnerstag in aller Herrgottsfrühe um 5.47 Uhr ging es mit dem Zug nach Paris. Meine Frau Uta und meine Schwester Inge begleiteten mich. Bereits um 14 Uhr bezogen wir unser Hotel - 3-Bett Zimmer, DM 186 pro Nacht, Avenue de Clichy Ecke Rue Brochant, nicht überwältigend, aber es ging.
Am Nachmittag und an den beiden folgenden Tage
erschlossen wir uns mal wieder Paris. Ich war mindestens schon 10 Mal da, 1974
das erste Mal, als Uta für sechs Wochen hier arbeitete. Also kannte ich
schon alle interessanten Ecken. Trotzdem ist diese Stadt immer wieder faszinierend.
Abends ging es jeweils in ein Restaurant, "carbohydrate loading". Zum Trainieren
kam ich natürlich nicht. War aber auch nicht nötig, denn trotz Metro
sind wir doch wieder sehr viel gelaufen.
Ich ging Richtung Start und drängelte mich dort nach vorne, bis ich einigermaßen auf Höhe des Schildes mit 4 Stunden stand. Ganz gelang das nicht, die Menge stand zu dicht. Auf ganzer Breite der Camps Élysées standen wir, dicht an dicht gedrängt. Die meisten hatten sich gegen die Kälte und den Wind eine Mülltüte umgehängt oder ein altes T-shirt angezogen, die sie dann kurz vor dem Start wegwerfen wollten.
Irgendwo hatten die Veranstalter eine Beschallungsanlage installiert, aus der abwechselnd Musik oder Infos zu hören waren. Die Menge um mich herum war recht ausgelassen. Die Leute freuten sich auf den Lauf und redeten aufgeregt durcheinander. Immer wieder zog einer seine Mülltüte aus und ließ sie auf den Boden fallen, oder knüllte sie zusammen und warf sie Richtung Gehweg. Wir standen so dicht gedrängt, daß ich mich kaum bewegen konnte. Doch sah ich bereits jede Menge Tüten, T-Shirts und Plastikflaschen auf dem Boden liegen. Das konnte ja noch was werden, wenn es endlich losging. Zum Glück konnte man wohl die ersten 100 Meter bis zum Start nur gehen und somit besser auf den Abfall am Boden achten.
Damit ich unterwegs Aufnahmen machen konnte, hatte ich meine kleine Kamera in einer Tasche dabei. Ich wollte die riesige Menge vor dem Start fotografieren. Also die Kamera hoch gehalten und blind abgedrückt - aber die Kamera löste nicht aus! Das Display zeigte ein Batteriesymbol - alles klar, die Batterie war leer. Verflucht, so ein Pech. Die ganzen Tage vorher hatte sie funktioniert und wenn es darauf ankam, dann versagte sie. Am meisten ärgerte mich, daß ich jetzt das unnütze Ding auch noch die ganze Strecke mittragen mußte. Ich wollte aber versuchen, Uta weiter unten am Place de la Concorde unter den Zuschauern zu finden und ihr die wertlose Kamera zu geben.
Und
dann ging es endlich los. Aus den Lautsprechern wurde von zehn an abwärts
gezählt und die ganzen zweiundzwanzig Tausend zählten laut mit -:).
Bei Null sollte es losgehen, aber für uns da hinten bewegte sich erst Mal
gar nichts. Die vorderen Läufer waren schon unterwegs, bis wir weiter hinten
uns nach ein paar Minuten erst mal ganz langsam vorwärts bewegten. Immer
wieder ein paar Schritte, dem Abfall auf dem Boden ausweichen und dann standen
wir wieder.
Nach etwa 5 Minuten war ich ein paar Meter vor der Startlinie, vor mir wurde es frei und ich konnte dann einigermaßen ungehindert los laufen. Vereinzelt lagen noch Tüten und Flaschen auf dem Boden, man konnte aber gut ausweichen. Suchend schaute ich nach links, ob ich meine Beiden unter den Zuschauern entdecken konnte. Ich mußte unbedingt meinen "wertlosen" Fotoapparat loswerden.
Bereits jetzt liefen Dutzende, wenn nicht Hunderte von Läufern links weg zu irgend einem Baum und erleichterten sich. Auch ich hatte bereits ein leichtes Bedürfnis, wollte aber noch warten. Da sah ich Uta am linken Rand der Straße stehen. Hin und den Apparat abgeben, mit einer kurzen Fehlerangabe. Vielleicht konnten sie ja eine Batterie kaufen. In Paris hatte ich eigentlich zu jeder Tages- und Nachtzeit offene Läden gesehen.
Weiter
lief ich auf der breiten Champs Élysées hinunter bis zum Place
de la Concorde. Um den Obelisken herum und weiter auf der Rue de Rivoli. Diese
Straße war bei weitem nicht so breit wie die Champs Élysées,
so daß wir jetzt wieder dichter aufeinander waren. Nun fing es auch schon
an, leicht zu regnen, aber nicht so stark, daß man gleich durchnäßt
war. Meiner Stimmung und offensichtlich auch der der Mitläufer tat es jedoch
keinen Abbruch. Wider Erwarten säumten viele Zuschauer die Straße,
die uns immer wieder anfeuerten.
Langsam meldete sich meine Blase dringender. Da sah ich in einer Seitenstraße einen Baucontainer. Kurz links weggelaufen und mich erleichtert. Kostete mich eine Minute und schon hatte ich mich wieder in den Läuferpulk eingereiht und versuchte meinen Laufrhythmus zu finden.
Bereits vom ersten Meter an hatte meine Pulsuhr jeden Wert angezeigt, bloß keinen vernünftigen. Durch die vielen Läufer um mich herum, die alle auch einen Sender um hatten, wurden meine Meßwerte verfälscht, obwohl ich doch eine "codierte" Verbindung mit meinem Sender hatte. Ich war also ganz auf mein Gefühl angewiesen. Ich hatte mir vorgenommen, die ersten Kilometer etwas langsamer zu laufen, als die notwendigen 5:40 Minuten pro Kilometer, notwendig, um unter vier Stunden zu kommen. Auch dieses Mal war ich jedoch so abgelenkt durch die Läufermenge und die ständig wechselnde Kulisse um mich herum, daß ich ganz vergaß, nach den Kilometerschildern zu schauen, sonst hätte ich nämlich bemerkt, daß ich bisher ziemlich genau 5:40 gelaufen war.
Kurz vor dem Place de la Bastille gab es bei Kilometer 5 die erste Getränkestation. Ein mords Gedränge, bis ich endlich an einem der Tische war und mir eine Flasche (Plastik, 0,33l) mit Vitell Wasser greifen konnte. Ganz praktisch. Man mußte nicht wie sonst einen Becher gleich austrinken, sondern konnte die Flasche wieder verschließen und sie so einige Kilometer mittragen und Stück für Stück austrinken. Wenn sie leer war, warf man sie einfach an den Straßenrand.
Verflucht, ich wollte doch alle fünf Kilometer die Zwischenzeit stoppen. Einfach vergessen. Ich nahm mir fest vor, das bei km 6 nicht zu vergessen. Schon waren wir am Place de la Bastille. Wie bekannt war das Gefängnis nicht mehr da. Die Bastille wurde ja während der Revolution 1789 geschleift und vor einigen Jahren hat man dort ein Operngebäude errichtet. Eindrucksvoll!
Weiter die Rue du Faubourg hinunter, Richtung Bois de Vincennes. Und schon sah ich das Schild "Km 6". Tatsächlich vergaß ich nicht, die Zwischenzeit zu nehmen: 34:25, das war ein Schnitt von 5:44, also voll im Plan, trotz meiner Pinkelpause. Der Regen hatte wieder aufgehört und kam noch ein paar Mal, bis es dann die restliche Strecke trocken war.
Immer noch liefen wir ziemlich dicht aufeinander, so dicht, daß ich keinen Laufrhythmus finden konnte. Wollte ich überholen, was ich eigentlich ständig mußte, suchte ich eine Lücke, die ausreichte, daß ich durch schlüpfen konnte. Dann wieder wurde die Straße breiter und man hatte mehr Platz. Trotzdem konnte man nicht ungestreift überholen, weil man sonst ständig im Zickzack unterwegs gewesen wäre. Kurz - ich paßte mich einigermaßen meinen Mitläufern an. Mein Pulsmesser lieferte immer noch keine vernünftigen Werte.
Km
10: Hier begann der Bois de Vincennes. Ich nahm die Zwischenzeit - 5:45 die
letzten vier Kilometer, also voll im Plan. An der Getränkestation holte
ich meine Wasserflasche ab und lief weiter. Nun ja, ein Wald war das nicht,
eher eine kultivierte, großflächige Parklandschaft mit immer wieder
ein paar hundert Metern Bäumen den Weg entlang. Schon wieder mußte
ich pinkeln. Also rechts ran und gleich wieder weiter. Der Weg war jetzt noch
etwas enger als zuvor. Vor mir sah ich einen riesigen, künstlichen Felsen.
Wir waren in der Nähe des Zoos. Von Laufrhythmus immer noch keine Spur.
Aber mein Pulsmesser zeigte jetzt endlich vernünftige Werte an, zwar ab
und zu noch sinnlose Ausschläge nach oben, aber alles in allem wohl korrekt.
Ich war etwa im im Pulsbereich von 128...138. Etwas mehr als bei meinen langen
Trainigsläufen (122...132), aber durchaus im grünen Bereich.
Immer wieder meldete sich jetzt ein anderes Bedürfnis - ob ich wohl einen geeigneten Busch fand? Als ich dann endlich eine geeignete Stelle sah, war wieder alles ok. Also lief ich weiter, vielleicht beruhigte sich das ja. An der Getränkestation bei km 15 holte ich meine Flasche ab, nahm die Zwischenzeit (5:46 die letzten fünf Kilometer) und lief weiter. Nach weiteren drei Kilometern mußte ich schon wieder pinkeln. Schon wieder eine Unterbrechung. Das konnte ja heiter werden. Normalerweise mußte ich nur am Anfang eines Laufes einmal pinkeln und dann nicht mehr. Durch das kühle Wetter und den leichten Regen mußte ich heute kaum schwitzen. Und durch die Flaschen, die man mittragen konnte, trank ich mehr als sonst.
Weiter ging es. Bald würden wir den Bois de Vincennes verlassen. Schon tauchten die ersten Häuser auf. Letzte Gelegenheit, mich hinter einen Busch zu schlagen. Papier hatte ich wohlweislich dabei. Gedacht, getan und schon wieder waren zwei Minuten vertan, bis ich wieder in der Läuferschlange war. Aber irgendwie ging es jetzt besser. Die Quittung bekam ich dann kurz danach an der Getränkestation bei km 20. Mein Schnitt auf den letzten 5 Kilometern war knapp über 6 Minuten (6:02). So durfte es aber nicht weitergehen!
Etwa
zwei Stunden war ich unterwegs. Ich mußte an meinen Energievorrat denken.
Also nahm ich ein Päckchen "Power Gel", saugte das Zeug mühsam aus
der Tüte und spülte anschließend mit Wasser hinunter. Ich fühlte
mich immer noch gut, mein Pulsmesser zeigte jetzt korrekt an, Pulsbereich um
die 130, also konnte ich etwas zulegen. Wie üblich die Wasserflasche nach
links Richtung Gehweg geworfen. Die geübte Pariser Straßenreinigung
wird das schon in Ordnung bringen.
Schon wieder sah ich ein paar Mitläufer, die ich bereits vorher ein paar Mal gesehen hatte. Da war die Frau mit dem großen Hinterteil, der ich schon nach den ersten Kilometern beim Überholen in Gedanken prophezeiht hatte, daß sie bald weit hinter mir wäre. Da war der Läufer, der nicht aufrecht laufen konnte, sondern wie eine alte Frau weit nach vorne gebeugt, der Oberkörper beinahe waagerecht. Der mußte Probleme mit seiner Wirbelsäule haben. Osteoperose? Da war ... ja wer denn sonst noch? In meiner Erinnerung gibt es viele auffallende Gestalten, trotzdem habe ich keine Details mehr, die sind untergangen in der Fülle der Eindrücke. Der ganze Lauf war für mich ein ewiges Gedränge mit unglaublich vielen Eindrücken von Läufern. Nie lief ich mit den gleichen Leuten und doch sah ich immer wieder welche, die ich schon vorher gesehen hatte, die ich längst überholt hatte und die mich während meiner ständigen Unterbrechungen wieder überholt hatten und die ich jetzt zum x-ten Mal wieder überholte. Die erwähnte Frau übrigens war auch noch bei km 35 in meiner Gegend. Dann verlor ich sie aus den Augen. Alle Achtung - offensichtlich kann man mit Training auch einen fülligen Hintern recht flott über die Marathonstrecke bringen.
Wir
liefen jetzt die Avenue Daumesnil Richtung Place de la Bastille. Bisher war
die Strecke weitestgehend eben. Und es lief ganz gut. Die nächste Zwischenzeit
bei km 25 ergab 5:28, ich hatte also wieder etwas aufgeholt, obwohl mein Pulsbereich
jetzt sogar noch etwas niedriger war: 124...135. Am Place de la Bastille waren
wir wieder vorbei und liefen jetzt Richtung Seine. Beinahe acht Kilometer würden
wir jetzt dem Fluß entlang laufen. Puls und Tempo waren wie geplant, das
Knie tat nicht weh und nur mein großer Zeh sandte immer wieder schmerzhafte
Impulse vom Gelenk aus. Aber das kannte ich bereits vom Training und hoffte,
daß es nicht schlimmer wurde. Es ließ sich aushalten, weil es immer
nur alle paar hundert Meter kurz schmerzte. Tatsächlich verschwand es fast
gänzlich im weiteren Verlauf.
Der Weg am Fluß entlang war zwar einigermaßen breit, aber das Läuferfeld war immer noch so dicht, daß ein ungehindertes Überholen nicht möglich war.
Wenn
alles geklappt hatte, mußten jetzt langsam meine Begleiterinnen irgendwo
stehen. Und da sah ich sie auch schon. Kurzer Halt, ein wenig geplaudert und
weiter ging es. Wir liefen auf der Autostraße neben der Seine, die immer
wieder durch einen Tunnel ging und dann mit einem kurzen, steilern Anstieg wieder
ans Tageslicht führte. Der Regen hatte bereits seit einer Stunde gänzlich
aufgehört, die Temperaturen waren angenehm, ich mußte kaum schwitzen,
mir war aber auch nicht kalt.
Den Louvre hatten wir rechts oben liegen gelassen, am anderen Ufer war das Musée d'Orsay zu sehen gewesen und schon von weitem sahen wir links vor uns auf der anderen Flußseite den Eiffelturm, den wir dann etwa bei Km 30 passierten. Mein Schnitt lag auf den letzten fünf Kilometern bei 5:38. Ich fühlte mich immer noch gut und wollte, wie in Frankfurt, jetzt etwas schneller laufen. Damit ich noch genügend Reserven hatte, nahm ich nochmals ein "Power Gel" und legte dann leicht zu. Mein Puls lag jetzt bei etwa 140, noch weit weg von meinem Schwellenbereich, der von 150-158 ging und von meinem anaeroben Bereich, der oberhalb von 158 begann.
Bei etwa km 32,5 verließen wir den Fluß und liefen auf der Avenue de Versailles und der Rue d'Auteuil Richtung Bois de Boulogne - weniger ein Wald, als ein großzügiger Park mit Seen. Dort war bei km 35 die letzte Getränkestation, die ich anlaufen wollte. Kurz zuvor nochmals Pinkelpause und dann die Zwischenzeit bei km 35: Es hatte geklappt! Die letzten fünf Kilometer hatte ich mit einem Schnitt von 5:32 geschafft. Ich fühlte mich immer noch so gut, daß ich keine Zeit verlieren wollte mit der Abholung einer Flasche. Die letzten 7 Kilometer würde ich auch ohne Wasser überstehen, führte eh nur zu uneerwünschten Pausen ;-). Also weiterlaufen und noch etwas schneller; Puls jetzt um die 150 - kein Problem. Reihenweise überholte ich die Läufer. Die Wege im Bois waren stellenweise etwas enger, die Läuferschar immer noch nicht weniger. Beinahe rücksichtslos drängelte ich mich jetzt manchmal durch die Lücken. Kein elegantes Laufen, aber ich kam einigermaßen flott voran. Mein Schnitt lag bei 5:10 und ich spürte noch Reserven. Die wollte ich aber erst auf den letzten zwei Kilometern aufbrauchen.
Wir waren immer noch im Park - die Wege wurden wieder breiter, je näher wir dem Ziel kamen. Den vorletzten Kilometer lief ich in 4:46, Puls 156, noch nicht ganz im anaeroben Bereich. Tatsächlich lief ich dann die letzten 1.200 Meter noch etwas schneller: 4:36 pro Kilometer, Puls 160.
Endlich am Ziel. In 3:56:02 hatte ich die Strecke geschafft. Ich war glücklich und nahezu bedürfnislos. Von den Nachfolgenden wurde ich weitergeschoben, reihte ich mich in die Massen ein, holte meine Medaille ab, stellte mich bei den Helfern an, die den Zeitnahme-Chip vom Schuh zwickten, trank an einem der vielen Tische ein paar Becher Sportgetränk, aß eine Banane, nahm eine Alufolie, wickelte sie aus, hüllte mich ein und wurde so mit vielen hunderten anderen Läufern langsam die Avenue Foch hochgeschoben. Ich freute mich, daß es so gut gelaufen war und war bester Stimmung. Ein riesen Gedränge, vor allem wieder im Bereich der Massagezelte. Langsam wurde mir kalt und ich war froh, daß ich die Folie um mich hatte und somit der kalte Wind mich kaum erreichte. Überall um mich herum glückliche Gesichter, aber auch erschöpfte Gestalten. Immer noch ein unglaubliches Gedränge.
Irgendwo weiter oben Richtung Triumpfbogen mußten die Treffpunkte sein, durch Buchstaben gekennzeichnet. Wir hatten ausgemacht, daß wir uns im Bereich "E" wie Eberhard treffen wollten. Läufer, Angehörige, Kinderwagen, Grillbuden - immer noch war das Gedränge groß.
Tatsächlich fand ich meine Begleiterinnen dann auf Anhieb im vereinbarten Bereich. Wir gingen etwas seitlich auf die Rasenbereiche links der Avenue Foch. Dort zog ich mir die nasse Oberbekleidung aus und ein trockenes T-Schirt an. Dann noch eine Jacke und mir wurde wieder wärmer.
Ich wollte zurück ins Hotel und duschen. Es war 13.30 Uhr. Wir vereinbarten, daß wir uns um 17 Uhr vor Notre Dame treffen wollten. Mit der Metro fuhr ich zurück. Beim Umsteigen sah ich in den Gängen viele Läufer, die teilweise recht ungelenk die Treppen herunter gingen, eher humpelten. Auch ich kam nur schwer die Stufen herunter und merkte jetzt erst die hohen Belastungen, die der Körper während eines Laufes aushalten mußte. Schlußendlich landete ich dann aber doch im Hotel. Dort ließ ich Wasser in die Badewanne und entspannte mich erst mal im warmen Wasser. Dann noch eine halbe Stunde auf dem Bett gedöst und ich war wieder einigermaßen hergestellt.
Unterwegs dann aber zur Notre Dame spürte ich an allen Stellen meines Leibes, daß die 42,195 Kilometer nicht spurlos an mir vorbeigegangen waren. Die Treppen in der Metro kam ich noch schlechter runter als beim Heimweg. Das Gehen auf ebenen Wegen ging nur einigermaßen problemlos.
Abends in einem Restaurant genoß ich dann zu meiner Pizza mein erstes Glas Wein seit 13 Wochen! Paris war mal wieder eine Reise wert. Ich freute mich schon auf Rom im nächsten Frühjahr.
Fazit: Die Kulisse der Stadt war natürlich beeindruckend, die riesige Läuferschar wurde von den breiten Straßen zwar promlemlos aufgenommen, trotzdem war ungestörtes Laufen meist nicht möglich. Frankfurt mit seinen 9000 Teilnehmern war da beinahe familiär. Aber kurzweilig und eindrucksvoll war es allemal. Wie im Flug vergingen die vier Laufstunden. Wenn ich nur einen Bruchteil dieser Ablenkung bei meinen langen Trainingsläufen hätte! Beinahe mühelos erreichte ich mein Ziel, unter vier Stunden zu laufen. Paris hat mir gezeigt, daß es noch schneller geht, hat mir Hoffnung gemacht, vielleicht in einem der nächsten Läufe an meine theoretisch möglichen 3:30 Stunden heran zu kommen. Sicher noch nicht im Herbst in Berlin. Da nehme ich mir 3:45 vor. Aber vielleicht im Frühjahr 2001 in Rom? Ganz lose denke ich auch schon an einen Lauf in New York. Vielleicht im Herbst 2002 oder 2003? Wir werden sehen.
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