ebm-Marathon

Der Weg nach Boston: Phase I

Der Marathon mit über 100-jähriger Tradition in Boston ist die Meßlatte für einen Läufer. Dort darf nur laufen, wer eine Qualifikationszeit vorweist, die recht hoch angesetzt ist - wenigstens für Läufer mit meinem bescheidenen läuferischen Potential. In meiner Altersklasse (M55) werden zur Zulassung zum Lauf 3:40 h verlangt. Davon bin ich noch weit entfernt, was viel Training bedeutet, viele lange Läufe, viele Tempoeinheiten. Aber ich könnte es schaffen! Meine 10km und Halbmarathon-Zeiten machen mir Hoffnung, diese Zeit erreichen zu können. Danach müßte ich sogar knapp unter 3:30 h kommen J . Leider sind meine Marathonzeiten noch einiges davon entfernt. Meine beste Zeit bin ich mit 3:56:02 h in Paris 2001 gelaufen, etwas langsamer dann in Heilbronn 2001 mit 3:58:30, allerdings waren da 250 Höhenmeter zu überwinden. Ich müßte bei einem ordentlichen Kurs und guter Vorbereitung die Qualifikationszeit erreichen können. Kurz und gut, beim Berlin-Marathon im September 2001 will ich versuchen, sie zu erreichen.

Seit Mai 2001 laufe ich beim Lauftreff in Stammheim mit. Montags und Mittwochs jeweils 11 km, davon ca. 6 km in flottem Tempo von etwas schneller als 5 min /km. Nach dem Heilbronn-Marathon Mitte Juni lief ich einige kürzere Wettkämpfe, so daß ich im Juni und auch Juli voll ausgelastet war und keine langen Läufe machen konnte:

Datum
Ort
Zeit
16.6 Marathon in Heilbronn 3:58:30
23.6. 10 km City Lauf in Ludwigsburg 0:45:35
27.6. 5 km Bahnrennen in Münchingen 0:21:05
1.7. Halbmarathon in Stuttgart 1:40:04
4.7. 10 km Bahnrennen in Münchingen 0:44:00
7.7. 10 km Rennen in Bitzenreute 0:45:59 - schwerer Kurs
21.7. Halbmarathon in Oberstenfeld 1:39:14

Die für eine Marathon Vorbereitung so wichtigen langen Läufe mußte ich also auf August und September verschieben.

Einer dieser langen Läufe sollte der ebm-Marathon in Niedernhall (Künzelsau) Anfang September werden. Vor einem Jahr war ich dort schon mal gelaufen. Das war damals der erste Marathon meines Lebens, bei dem ich unglaublich schlecht gelaufen bin (4:43:29 h), bei dem es mir auch körperlich schlecht erging und den ich trotzdem in bester Erinnerung habe, der mich zu weiteren Marathon-Läufen ermunterte.

Alle mir bekannten Läufer hielten es für keine gute Idee, einen Marathon als Vorbereitung für einen Marathon zu laufen - nur Walter ermunterte mich, das zu machen. Ich hatte mir vorgenommen, den Lauf als Trainingslauf in einer Zeit von etwa 4:20 h zu laufen, was einen Schnitt von 6:10 min pro km bedeutete. Damit sollte der Lauf kein Problem sein, das war mein Tempo für die langen Läufe.

Der Marathon als Trainingslauf

Rechtzeitig vor dem Start war ich am Samstag, 8. September in Niedernhall. Bereits auf dem Weg dorthin regnete es in Strömen und leider gab auch der Wetterbericht keine besseren Aussichten her: regnerisch und stürmischer Wind. Renate wollte auch laufen, allerdings den Halbmarathon, denn auch sie wollte in Berlin starten und wollte sich nicht zu stark belasten. Wir beide waren ja vor einem Jahr zusammen in Niedernhall unseren ersten Marathon gelaufen. Ich hatte danach weitere Läufe gemacht, für sie wäre Berlin der zweite Marathon. Vergeblich suchte ich im Startfeld nach ihr. Sollte etwas dazwischen gekommen sein? Vermutlich suchte sie aber nur irgendwo Schutz vor Wind und Regen und kam erst kurz vor dem Start ins Freie.
 
 
 

Erst wurden die Rollis gestartet und zehn Minuten später dann die Marathon- und Halbmarathonläufer. Von Beginn an ging ich ein langsames Tempo, so wie ich es mir vorgenommen hatte. Die ersten zehn Kilometer lief ich gleichmäßig einen Schnitt von 6:06 min pro Kilometer. Schon nach wenigen Kilometern beobachtete ich einen Läufer vor mir, der etwa mein Tempo lief. Ich schloß auf und fragte ihn nach der Zeit die er laufen wolle. "So um die 4:20 ... 4:30 h" war seine Antwort. Da das auch mein Ziel war, blieb ich neben ihm. Es ist immer kurzweilig, wenn man einen Mitläufer hat, mit dem man sich unterhalten kann und der einen ggf. auch bremst, wenn man zu schnell wurde.

Wir unterhielten uns dann auch bestens. Vor einem Jahr, im Juni 2000 war er seinen ersten Marathon gelaufen und heute, etwas mehr als ein Jahr danach lief er bereits seinen 15. Marathon. Na - der war auch schön verrückt. Im Frühjahr hatte er u.a. am Rennsteig Marathon teilgenommen, vor vierzehn Tagen am Hunsrück Marathon. Hitze total, wohl einer der heißesten Tage des wahrlich heißen Sommers. Der Start war erst um 10:30 Uhr. In einem Bericht las ich, daß es Temperaturen bis zu 40° im Schatten gab. Da kann man sich vorstellen, wie der Lauf schlauchte. Und heute schon war der nächste Marathon fällig. Nun ja, seine Bestzeit lag bei etwa 4:20 Stunden, meist aber war er langsamer. Da war das nicht ganz so belastend. Aber schon am nächsten Wochenende wollte der den Marathon in Karlsruhe laufen, 14 Tage später dann in Berlin und im November in Monaco. Donnerwetter, den hat der Marathon-Bazillus aber schwer infiziert.

Bisher hatte es ständig leicht geregnet und wir hatten immer wieder stürmischen Gegenwind. Zum Glück war es nicht kalt. Ich hatte kurze Hosen an, ein langärmliges Laufhemd und darüber meine winddichte Jacke. Bis jetzt war das die ideale Kleidung, ich fühlte mich wohl und das widrige Wetter machte mir nichts aus. Schöner wäre natürlich gewesen, wenn Wind und Regen nicht gewesen wären. Trotzdem unterhielten wir uns bestens, die Zeit verging wie im Flug. Mein Mitläufer war durch den allseits bekannten Laufmotivator Dr. Strunz zum Laufen gekommen und hatte auch mal ein Seminar von ihm besucht. Er war zuvor nicht gelaufen und trainierte dann gleich auf einen Marathon. Dabei legte er weniger Wert auf die Zeit, als mehr auf das Lauferlebnis. Er wollte stets noch so im Ziel ankommen, daß man ihn noch anschauen konnte, nicht so übertreiben, wie viele Läufer, die alles geben und auch entsprechend im Ziel aussehen. Wahrscheinlich wollte er auch seine Attraktivität durch das Laufen verbessern. Einer seiner vielen Weisheiten war: "Man muß in so einer Verfassung im Ziel ankommen, daß man einer Frau eine halbe Stunde später ein Kind machen kann." Nun ja, so hatte ich das Laufen noch nicht betrachtet und bin auch im Zweifel, ob mir das gelingen würde, aber ein Standpunkt konnte das offensichtlich sein.

Die Wende in Künzelsau hatten wir hinter uns und liefen wieder zurück Richtung Niedernhall. Von Rechts wegen müßten wir jetzt Rückenwind haben. Es war wie verhext, der Wind hatte aufgehört! Mein Begleiter war ein Jahr älter als ich. Er hatte Anfang November Geburtstag. Wann ich denn Geburtstag hätte? "Am 25. November". "Na, da kannst du ja zum Geburtstag den Marathon in Monaco laufen", meinter er. "Der ist genau an deinem Geburtstag! Ich organisiere einen Bus für die Fahrt und suche noch Mitfahrer." In Paris auf der Marathon Messe hatte ich mir das auch schon mal überlegt und einen Prospekt vom Monaco Lauf mitgenommen. Mein Begleiter hatte den Marathon bei einem Veranstalter gebucht: drei Übernachtungen, pro Person DM 210,- im Doppelzimmer. Na, das klang nicht schlecht.

Ich mußte mal kurz in die Büsche und pinkeln. Als ich nach einigen Minuten wieder aufgeschlossen hatte, hatte sich meinem Mitläufer eine Läuferin angeschlossen. Wir liefen nun zu dritt und unterhielten uns. Wir hatten den Startbereich in Niedernhall passiert und liefen Richtung Sindringen, wo bei Kilometer 28,5 die zweite Wende war. Das Tempo war ab Kilometer 10 etwas langsamer geworden; nur noch 6:22 pro Kilometer. Mein Mitläufer signalisierte, daß er wohl noch langsamer werden müsse, da er das Tempo nicht bis zum Ende durchhalten könne. Als dann etwa bei Kilometer 16 der erste Anstieg kam, blieb er auch prompt zurück und ich war mit der Läuferin alleine.

In der Zwischenzeit hatte es aufgehört zu regnen und auch der Wind war nicht mehr aufgekommen. Allerdings dräuten rabenschwarze Wolken und mit dem nächsten Guß war zu rechnen. Die nächsten drei Kilometer ging es leicht bergauf und unser Schnitt sank auf 6:58. Ich hätte zwar problemlos schneller können, war aber so vernünftig das nicht zu tun. Meine Mitläuferin machte ihren ersten Marathon. Das erinnerte mich natürlich an meinen Lauf vor einem Jahr und ich berichtete von meinen Erlebnissen. Sie hatte sich etwa eine Zeit von 4:30 h, vorgenommen, wenn es gut lief, auch 4:20 h.

Wir liefen durch Forchtenberg und nach etwa drei Kilometern begann es richtig zu schütten. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich Wasser in den Schuhen und auch meine winddichte Jacke hielt das Wasser nicht mehr ab. Glücklicherweise war es nicht kälter geworden, eigentlich ideale 13°. Nach etwa 10 Minuten hörte es auf und im weiteren Verlauf kam sogar manchmal die Sonne für eine Minute hervor. Wir trockneten wieder ab. Die Strecke war mir vom letzten Jahr noch bekannt. Immer wieder wurde ich an meinen damaligen Lauf erinnert. Jetzt kam der Streckenteil (Kilometer 26), ab dem ich damals erste Zweifel bekam, ob ich das Tempo durchhalten könnte. Wir liefen in dem Abschnitt, wo ich das erste Mal an eine Gehpause gedacht hatte. Heute jedoch war das alles ganz anders. Unser Kilometerschnitt lag so zwischen 6:20 und 7:00 Minuten. Keinerlei Probleme, obwohl ich langsam auch meine Oberschenkel bemerkte. Alle anderen neuralgischen Stellen machten keinen Ärger. Meine Mitläuferin hielt das Tempo auch problemlos. Wir kamen nach Sindringen, wendeten und liefen jetzt Richtung Ziel in Niedernhall. Noch 13 Kilometer lagen vor uns. Vor einem Jahr hatte ich hier meine erste Gehpause von vielen eingelegt. Meine Mitläuferin kam immer noch gut mit, obwohl wir jetzt mit 6:16 etwas schneller liefen. Unser Gespräch versiegte langsam. Sie brauchte ihren Atem für das Laufen. Die Steigung ab Forchtenberg zog sich ewig hin, der Schnitt fiel wieder auf etwa 6:50 ab. Jetzt hatten wir aber nur noch fünf Kilometer zu laufen. Wir wurden wieder etwas schneller. Als dann Niedernhall in Sicht kam, beschleunigte meine Partnerin. Sie hatte noch Reserven und wir konnten 4:44 auf den letzten eineinhalb Kilometer bis ins Ziel halten.

Mit 4:30:53 hatte sie ihr Wunschergebnis erreicht und war überglücklich. Auch ich war zufrieden und fühlte mich ungleich besser als letztes Jahr.

Ich lief noch ein paar Minuten ganz langsam aus und schaute dann ins Zelt zu den Siegerehrungen. Dort endlich sah ich Renate, die ihren Halbmarathon gut überstanden hatte. Auch meinen Mitläufer, Bernhard Sesterheim, traf ich dort. Wir unterhielten uns und tauschten die Adressen aus. Nach Wurst und Weizenbier ging es dann auf die Heimfahrt.

Ein paar Tage später meldete sich dann Bernhard. Er hatte einen VW-Bus für die Monaco Fahrt und bereits drei Mitfahrer. Natürlich wollte ich mitmachen und mit Ute und mir waren wir dann schon zu fünft. Er gab mir den Reiseveranstalter durch, bei dem ich mich auch prompt anmeldete.

Überall hatte ich erzählt, daß ich für Boston eine Qualifikationszeit von 3:40 bräuchte. Irgendwie kamen mir aber Zweifel an der Zeit. Sicherheitshalber schaute ich in meinen Unterlagen nochmals nach. Da habe ich mich aber schwer getäuscht! Fünf Minuten schneller muß ich sein, also 3:35h! Das sind immerhin pro Kilometer 7 Sekunden mehr. Mal sehen ob ich das in Berlin schaffe?

Letzte Änderung:
13. August 2009

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