Monaco Marathon

Blauer Himmel, blaues Meer, Sonnenschein

So., 25. November 2001

Bilderkollektion vom Lauf

Bei meinem diesjährigen Marathon in Niedernhall (ebm-Marathon 8. September 2001) hatte ich Bernhard kennengelernt, einen Läufer in meinem Alter, etwas langsamer als ich, aber recht unternehmungslustig, wenn es um das Laufen von Marathons ging. Obwohl er überhaupt erst seit Sommer 2000 Marathon lief, hatte er damals bereits 13 Marathons gelaufen und weitere geplant. Einer davon war der Marathon im November in Monaco. Da dieser Lauf just mit meinem Geburtstag zusammen fiel, hatte ich mir auf der Marathonmesse im Frühjahr in Paris schon einen Prospekt des Laufes mitgenommen und liebäugelte damals mit diesem Marathon. Im Laufe der Monate jedoch hatte ich die Idee aus den Augen verloren. Bernhard nun erinnerte mich daran und ermunterte mich, doch auch teilzunehmen. Das war der letzte Impuls und ich war entschlossen, in Monaco den Marathon zu laufen.

Nach dem Berlin-Lauf Ende September hatte ich eigentlich keine Lust mehr, ein großartiges Training zu machen. Das Profil des Laufs in Monaco erlaubte auch gar keine Rekorde, also entwickelte ich keinen Ehrgeiz, Rekord laufen zu wollen. Mein Training sah entsprechend nachlässig aus, von einer Trainingssystematik kann da nicht geredet werden. Ich lief einfach irgendwie und verließ mich auf meine gute Kondition, die ich in Berlin hatte:

Woche nach Berlin

Anzahl Läufe

langer Lauf

Wochenleistung

1.
1
--
10
2.
3
--
34
3.
3
25k-Rennen
43
4.
1
31
31
5.
3
22
42
6.
4
27
69
7.
5
31
75
8.
3
Monaco
61

Donnerstag, 22. November

Bernhard hatte die Reise bei Bunert-Reisen gebucht, einem Reiseveranstalter, der auf Marathonreisen spezialisiert ist. Ute und ich schlossen uns an: Doppelzimmer für uns beide, drei Nächte DM 414,-. Anreisen wollten wir mit dem Zug im Liegewagen. Bernhard wohnt in der Nähe von Trier. Donnerstag Nachmittag fuhren wir nach Saarbrücken, stellten das Auto bei meinem Freund Werner ab und trafen uns am Hauptbahnhof mit Bernhard seiner Freundin Erika und Elisabeth, einer Laufkollegin von ihm.

Um 19 Uhr ging es los, umsteigen in Metz und dann waren wir im Liegewagen Richtung Nizza. Die Dinger sind recht eng, kein besonderer Komfort. Nachdem wir uns eingerichtet hatten, beganneine unkomfortable Nacht. Trotzdem kein Vergleich mit einer Autofahrt. Bei scheußlichem, regnerischem, kalten Wetter waren wir in Deutschland gestartet. Morgens gegen 9 Uhr empfing uns Nizza bei strahlendem Sonnenschein.

Freitag, 23. November

Nach kurzer Orientierung auf dem Stadtplan fanden wir den Weg ins Hotel. Dort konnten wir tatsächlich schon unsere Zimmer beziehen. Kurz danach waren wir wieder auf der Straße und spazierten Richtung Meer. Es war angenehm warm, überall saßen die Leute im Freien vor den Restaurants. Auch wir nahmen Platz und genossen bei herrlichem Sonnenschein ein verspätetes Frühstück. Anschließend schlenderten wir weiter zum Strand: Palmen, blauer Himmel, blaues Meer und tatsächlich einige Leute in Badekleidung am Strand und einige im Wasser. Wir flanierten etwa zwei Stunden dem Strand und der Promenade entlang, genossen das Wetter und gingen dann langsam zurück ins Hotel.

Das Hotel war zu einem großen Teil von deutschen Läuferinnen und Läufern belegt, die alle auch bei unserem Reiseveranstalter gebucht hatten. Eine Stunde später gingen wir mit unserem Reiseveranstalter und einigen anderen Marathonläufern nach Monaco. Zehn Minuten Fußweg zum Bahnhof und 20 Minuten mit dem Zug. In Monaco angekommen, ging es ins Stadion, zur Startnummernausgabe. Wir holten unsere Startunterlagen im ab und machten einen kleinen Rundgang durch die angebliche Marathonmesse. Sie erwies sich jedoch als so dürftig, daß wir bereits nach einer halben Stunde wieder im Freien waren und uns noch etwas Monaco am Abend anschauten. Dann ging es wieder zurück ins Hotel. Nach Abendessen in einer kleinen Kneipe um die Ecke ging es ins ins Bett.

Samstag, 24. November

Am nächsten Tag fuhren Elisabeth, Ute und ich nach Monaco, Bernhard und Erika wollten den Tag in Nizza verbringen. Elisabeth kannte Monaco bereits. Ihre Tochter arbeitete einige Zeit dort und Elisabeth hatte bereits vor zwei Jahren den Marathon mitgemacht und ihre Altersklasse gewonnen. Auch letztes Jahr war sie da und wollte laufen. Da hatte jedoch Tage zuvor ein Sturm die Strecke unpassierbar gemacht, so daß der Veranstalter nur einen 10-Kilometer Lauf organisieren konnte. Wie gesagt, Elisabeth kannte sich aus und zeigte uns Monaco. Also ging es die Hügel hoch und runter, als ob wir am nächsten Tag eine lockere Landpartie vor uns hätten. Bei herrlichem Wetter verbrachten wir einen schönen Tag. Abends wieder in die Kneipe, carbohydrate loading und früh ins Bett.

 

Der Lauf - Sonntag, 25. November

Am nächsten Morgen sollte es losgehen. Sonntag, 25. November - mein Geburtstag. Bereits auf der Herfahrt im Zug hatte sich herausgestellt, daß Elisabeth ebenfalls am 25. November Geburtstag hatte und - welch ein Zufall - auch noch das selbe Geburtsjahr. Zum groß Feiern sind wir wohl beide nicht der Typ und heute hatten wir anderes vor. Früh heraus, Frühstück im Hotel und weil es sich unter den Läufern herumgesprochen hatte gratulierten uns viele. Dann zum Bahnhof und ab nach Monaco.

Start war oben am Casino. Es ging aber das Gerücht um, daß man unten im Stadion seine Kleiderbeutel abgeben könne und würde dann mit Bussen hochgebracht. Tatsächlich klappte dann auch die Kleiderabgabe reibungslos. Wie immer mußte ich nochmals aufs Klo. Ich stellte mich in die Schlange vor den sage und schreibe drei WC-Häuschen und ärgerte mich, daß die Veranstalter nicht besser vorgesorgt hatten. Nach beinahe einer halben Stunde Warterei war ich endlich bereit zur Abfahrt. Natürlich hatte ich Bernhard und auch Elisabeth aus den Augen verloren. (Übrigens! Im Stadion selbst gab es natürlich genügend WCs. Stellte ich nach dem Lauf fest, hätte ich auch vorher wissen können!)

Das mit den Bussen war nicht ganz klar. Viele machten sich auf den Fußweg nach oben. Jede Menge davon legten die sicher 2-3 Kilometer zum Starbereich bereits laufend zurück. Das wollte ich mir ersparen. Nach einigem Suchen fand ich die Abfahrtstelle und kam auch gleich in einen Bus. Fünf Minuten später waren wir oben.

Der Platz vor dem Casino wimmelte vor Läufern. Das Wetter war herrlich. Wie an den beiden Tagen zuvor schien die Sonne, kein Wölkchen am Himmel. Natürlich waren wir alle in kurzen Hosen, viele mit ärmellosen Hemden. So weit wollte ich nicht gehen. Ich hatte ein kurzärmliges Laufhemd an und darüber ein ärmelloses Leibchen. Im Nachhinein war das gerade richtig. Zwar gab es heute Temperaturen bis über 20 Grad, aber immer wieder wehte ein leichter Wind, der den nassen Körper doch abkühlte.

Wie immer bei einem Marathonstart warteten wir alle in aufgekratzter Stimmung bis zum Startschuß. Weder Bernhard noch Elisabeth waren zu sehen. Bernhard stand sicher weiter hinten, Elisabeth weiter vorne. Ich hoffte auf eine Zeit unter vier Stunden und hatte mich auch so aufgestellt. Ein Unsicherheitsfaktor war das Streckenprofil. Da ging es schon rauf und runter. Start bei etwa 60 Meter Höhe, etwas runter, dann hoch auf 65 Meter und nach ein paar Kilometern dann runter auf Meereshöhe. Meinen Rekord von Berlin (3:44 h) konnte ich sicher nicht annähernd erreichen, also wollte ich eher verhalten beginnen.

Und schon ging es los. Trotz der über dreitausend Teilnehmer klappte alles reibungslos. Bereits nach weniger als zwanzig Sekunden war ich über der Startlinie - bei nahezu 3.000 Startern schon eine Leistung. Erst ging es mal den breiten Boulevard des Moulins sanft hinunter, wieder hoch. Über verschlungene Autostraßen wurden wir nach unten geführt, vorbei an einer Band, die genau in einer Kurve einer Straßenbrücke stand. Bereits von weitem hörte man tolle Musik der Stones aus den 60er Jahren. Vorbei an der Gruppe, in einer 360 Grad Kurve die Brücke hinunter und lange noch über uns die Musik.

Irgendwie wurden wir durch Monaco geschleust. Ich wußte, daß es bald wieder hoch gehen würde und orientierte mich daher an meinem Pulsmesser: so um die 136, alles im grünen Bereich. Bei Kilometer fünf hatte ich einen Schnitt von 5:33 pro Kilometer - einiges langsamer als in Berlin (5:10), aber ich wollte es ja langsam angehen lassen. An der ersten Getränkestelle ging es noch recht eng zu. Ich kam kaum an einen Wasserbecher. Immer noch in der Stadt ging es jetzt über einen Kilometer lang stetig bergauf. Schon wieder hörte ich tolle Musik, diesmal ein Lied von Bob Dylan. Tatsächlich ging es die Serpentinen wieder hoch zu der Band vom Anfang. Da hatte man uns aber ganz schön durch Monaco geführt.

Schon seit Kilometer eins konnte ich ungestört mein Tempo laufen. Ich beobachtete wie immer interessiert die Läufer um mich herum und freute mich unglaublich über das tolle Wetter und die sagenhafte Aussicht auf das dunkelblaue Meer rechts von uns. Bald führte uns die Strecke ans Ostende der Stadt, hinunter zum Meer und hinaus, der Küstenstraße entlang - und schon waren wir in Frankreich, ohne es zu merken.

Nur kurz währte die Freude über die Strecke dem Meer entlang, da ging es auch schon wieder hoch, auf diesmal 84 Meter. Die höchste Stelle der Strecke. Die würden wir bei der Rückkehr wieder passieren. Stets hatten wir das Meer vor uns oder rechts von uns, je nachdem, wie sich die Straße gerade schlängelte. Monaco lag hinter uns, aber links und rechts der Straße gab es immer wieder Häuser. Mußte ich pinkeln? Wegen der Bebauung gab es kaum eine Gelegenheit, also weiter wie bisher, so dringend war es dann doch noch nicht. Die Straße führte uns jetzt hoch über dem Meer entlang, rechts Häuser und Palmen zwischen uns und dem Wasser. Der Anstieg lag hinter mir und ich lief locker vor mich hin. Um mich herum ganz lose meine Mitläuferinnen und Läufer. Wir näherten uns dem Ort Roquebrune. Letzte Gelegenheit. Links von uns schon seit hunderten von Metern eine Felswand. Da, ein wenig Grün vor der Wand und ich erleichterte mich. Gleich viel entspannter lief ich in den Ort.

Bei der nächsten Getränkestation bei Kilometer zehn kam ich problemlos zu meinem Becher Wasser. Mein Schnitt lag auf den letzten fünf Kilometern bei 5:34 - angesichts der ordentlichen Steigung immer noch recht gut. Durch einen Park hindurch etwa einen Kilometer abwärts bis ans Meer und weiter Richtung Menton. Beide Orte sind so zusammengewachsen, daß der Weg ständig durch bebautes Gebiet führte. Bebaut ist natürlich ein völlig unzureichendes Wort. Die Gegend ist sehr felsig. Rechts das Meer und links zieht sich der Fels hoch, weit über 400 Meter. Die Küstenstraße schlängelt sich da knapp auf Meereshöhe entlang und die Häuser mit ihrer mediterranen Bepflanzung passen sich wunderbar in die Landschaft. So wie man es sich in so einer Gegend eben vorstellt. Überall begleiteten uns Palmen, Orangenbäume und andere südländische Pflanzen. Ab und zu sah ich tatsächlich auf dem felsigen Gelände bougainvillea, üppige, buschige, rot-violette blühende Pflanzen. Die ganze Gegend, die ganze Strecke einfach herrlich.

Vor mir sah ich einen Läufer, der auch in unserem Hotel wohnte. Nicht zu übersehen, groß, Segelohren, aus dem Ruhrpott und immer mit dem Mund vorne dran. Ziemlich schnell hatte ich ihn eingeholt. Der machte aber keinen frischen Eindruck mehr und das schon nach 12 Kilometern! Wir unterhielten uns ein wenig. Wenige Wochen zuvor war er in New York gelaufen. Das steckte ihm noch in den Knochen, meinte er. Noch am Morgen bei der Fahrt im Zug nach Monaco war er aufgekratzt und unterhielt seine Umgebung. Er legte eine Gehpause ein und ich lief weiter. (Zwei Monate später sah ich ihn auf einem Bild in einer Zeitschrift in einer Laufgruppe beim Marathon in Dubai.)

In Menton wurden wir erst Mal einen Kilometer weg von der Straße geführt, auf schmalen asphaltierten Wegen den Strand entlang. Einzig dieser Teil war etwas trist. Auf dem Rückweg würden wir in diesem Streckenabschnitt mitten durch die Stadt geführt. Bald ging es wieder hoch auf die Hauptstraße, die gleichzeitig auch Promenade des reichen Ortes ist. Bisher gab es nicht übermäßig Zuschauer. Natürlich säumten in Monaco viele Leute die Straße, dann aber nahm es deutlich ab, wenn auch immer noch Zuschauer an der Strecke standen. In Menton jedoch flanierten viele Touristen, die freundlich Beifall klatschten.

Kilometer 15, immer noch in Menton. Mit 5:17 war ich 15 Sekunden pro Kilometer schneller gelaufen. Klar, es war abwärts gegangen und die letzten Kilometer waren eben. Die Strecke führte immer noch der Promenade entlang, jetzt durch ein Flatterband in der Mitte getrennt. Auf der anderen Seite würden wir zurücklaufen. Immer wieder trennten sich für einen halben Kilometer die beiden Strecken, um dann wieder einige Kilometer nebeneinander her zu führen. Plötzlich sah ich in der Ferne Läufer auf mich zukommen. Das mußte die Spitzengruppe der Frauen sein. Leichtfüßig, mit langen, schnellen Schritten rannten Sie auf der Gegenseite vorbei. Die führenden Männer hatte ich wohl versäumt, als die Strecke mal wieder geteilt war.

Immer wieder kamen uns jetzt Läuferinnen und Läufer entgegen. Eigentlich unglaublich. Ich hatte noch gut sechs Kilometer bis zur Wende und die waren also nach 1h:20 min schon über zwölf Kilometer vor mir. Immer wieder höre ich Läufer, die es als demotivierend beschreiben, bei einer Wendepunktstrecke all die zu sehen, die vor einem liegen. Ich muß sagen, daß ich das interessant fand, mich das eher anspornte. Wo kann man denn sonst die guten Leute so unmittelbar sehen. Üblicherweise sind Marathonstrecken Rundstrecken, bei denen man nur Läufer sieht, die in die eigene Richtung laufen.

Ich bemühte mich, mein Tempo zu halten. Die Strecke war immer noch eben, also sprach nichts dagegen, aber trotzdem wurde ich langsamer. Wir ließen Menton hinter uns und näherten uns der italienischen Grenze. Im Zuge der europäischen Integration hatte die Grenzstation an Bedeutung verloren, war aber immer noch ein mächtiges Betonbauwerk. In Trachten gekleidete Italiener empfingen uns mit Tabletts, auf denen Weißbrötchen mit italienischer Salami angeboten wurde. Gerne griff ich zu. Ich hatte bisher nur einen Energieriegel gegessen und daher machten mich die appetitlichen Häppchen an. Natürlich ist es nicht unproblematisch, während eines solchen Laufes den Magen mit Salami zu belasten. Immer einen kleinen Bissen, lange gekaut, dann geht das schon. Auch an der Grenzstation spielte eine Musikgruppe, wie auch schon bisher immer wieder unterwegs verschiedene Gruppen Musik aller Richtungen machten.

Die Straße nahm nun eher den Charakter einer Schnellstraße an und tatsächlich kam auch bald der erste Tunnel, durch den sie uns führte. Auf der Gegenfahrbahn hatte die Läuferzahl bedeutend zugenommen. Die Wende konnte nicht mehr weit entfernt sein. Beinahe unmerklich ging es jetzt hoch. Die Temperatur hatte zugenommen, sicher um die 20 Grad oder mehr. Vom Meer her wehte jedoch immer ein leichtes Lüftchen, so daß mir nie zu warm war. Richtig ideales Wetter und immer noch vollkommen wolkenloser blauer Himmel - schöner hätte es gar nicht sein können. Wieder ging es durch einen längeren Tunnel. Ich lief immer noch ganz locker, allerdings zu langsam. Bei Kilometer 21 nahm ich wieder meine Zeit: Die letzten fünf Kilometer hatte ich doch tatsächlich nur noch 5:50 pro Kilometer gemacht. So durfte das aber nicht weitergehen! Mein Puls lag jetzt bei 140, immer noch voll im grünen Bereich. Nun kam der längste Tunnel, sicher 300 m lang. Ganz leicht ging es bergab und schon waren wir in Bartolomeo, einem Vorort von Ventimiglia.

Dort war bei bei Kilometer 22,5 die Wende. Endlich war ich bei denen, die zurückliefen. Ein erhebendes Gefühl, wenn man die vielen Entgegenkommenden sieht. All die müssen noch zum Wendepunkt und man selbst ist ja so überlegen vorne ;-). Der lange Tunnel mit seiner leichten Steigung war bald hinter mir und die Straße ging jetzt sanft abwärts. Da mußte es doch schneller gehen. Ich gab mir Mühe. Schon seit einiger Zeit hatte ich das entgegenkommende Läuferfeld im Auge, ich wollte Bernhard nicht versäumen, aber es ist mich auch immer interessant die Läuferinnen und Läufer zu beobachten. Da gibt es ja die tollsten Gestalten, Laufstile, Kleidungen, einfach faszinierend. Kurz nach dem langen Tunnel sah ich auch schon Bernhard. Gar nicht so weit zurück und er sah noch gut aus. Kein Vergleich mit dem Mitbewohner, den ich bei Kilometer 12 überholt hatte. Kurz winkten wir uns zu.

In dieser Phase lief es wieder so, daß ich ein gutes Gefühl hatte. Tatsächlich ergab die nächste Zeitmessung bei km 26, daß ich die letzten fünf Kilometer wieder etwas schneller geworden war (5:34). Aber Rekorde konnte ich heute wohl nicht mehr laufen, ich konnte froh sein, wenn ich noch unter 4 Stunden kam. Aber eigentlich war mir das vollkommen egal. Ich genoß einfach nur die schöne Landschaft und freute mich über das sagenhafte Wetter. Schon näherten wir uns wieder Menton. Schönes Städtchen mit tollen Häusern aus der Jahrhundertwende. Der Rückweg führte uns vom Meer weg, mitten durch die Stadt. Ich hatte mich vier Läufern angeschlossen, die mich kurz zuvor langsam überholt hatten. Die ganzen Kilometer durch den Ort blieb ich ihnen auf den Fersen. Kaum hatten wir das Zentrum durchlaufen und liefen wieder direkt am Meer, begann ganz langsam der Anstieg. 80 Meter hoch führte uns die Straße.

Ich wurde langsamer und die Truppe vor mir zog davon. Drei Kilometer ging es stets bergan. Mein Kilometerschnitt sank auf traurige 6:00, für den steilsten Kilometer gar brauchte ich 8:10 - unglaublich. Aber stets trippelte ich und erlag nicht der Versuchung zu gehen, wie viele Läufer um mich herum. Endlich war es geschafft. Den nächsten Kilometer lief ich in sagenhaften 5:28 aber das war es auch schon wieder. Ich wurde wieder langsamer. Nicht daß mich das Laufen geschlaucht hätte, aber ich hatte einfach keine Kraft mehr, um ein anständiges Tempo zu halten. Dazu kam, daß ich schon seit vielen Kilometern eine Blase am linken Fuß hatte. Sie schmerzte nicht, aber ich lief etwas vorsichtiger, um sie nicht zu "provozieren". Dazu kam, daß mir langsam auch die Beine weh taten, Fußsohlen, Gelenke, Muskeln, kurz - drei Stunden zuvor hatte ich mich besser gefühlt ;-).

Schon seit ein, zwei Kilometern sah ich Monaco vor uns liegen und bald liefen wir zwischen den ersten Häusern. Von Rechts wegen hätte es schon einige Zeit langsam runter auf Meereshöhe gehen müssen, zumindest zeigte das das Höhenprofil der Strecke. Aber irgendwie liefen wir immer noch hoch über dem Meer. Wir hatten schon längst den Anfang von Monaco erreicht, da ging es endlich hinunter, aber wie! Das ganze Gefälle, das sich im Höhenprofil auf über zwei Kilometer verteilt hatte, war gerade mal geschätzte 700 Meter lang. Mir taten die Beine schon so weh, daß ich das nicht mehr ausnützen konnte. Im Gegenteil, es kostete mich eine Menge Energie, dieses steile Stück runter zu kommen, ohne daß meine Blase schmerzte. Endlich geschafft! Noch vier Kilometer lagen vor mir. Der Zieleinlauf war im Stadion von Monaco und das lag am anderen Ende der Stadt, in der Nähe des Hafens. Also ging es nur noch eben.

Die letzten Kilometer war ich so zwischen 6:10 und 6:30 gelaufen. Aber meine Reserven waren am Ende. Tatsächlich überlegte ich mir, doch ein Stückchen zu gehen. Aber immer wieder riß ich mich zusammen und trottete in meinem uneleganten Schlappschritt weiter: Schnitt 7:03. Bald mußte doch das Stadion kommen? Da näherte ich mich bereits dem Hafen. Irgend einer der Fürstenfamilie hat in dieser Zeit Geburtstag und jedes Jahr wird zu diesem Anlaß im Hafen ein Rummel aufgebaut. Auf dem Boulevard Albert I vorbei an den Buden und Fahrgeräten und dann in den Tunnel hinein um durch den Berg hindurch die Halbinsel zu queren. Im Tunnel war ein richtig strammer Gegenwind, der alles Lose wie Becher, Plastiktüten, Laub vor sich her trieb.

Nach dem Tunnel endlich vertraute Gegend. Jetzt konnte es nicht mehr weit sein. Ich riß mich nochmals zusammen. Tatsächlich hatte ich den letzten Kilometer in 6:40 geschafft. Die Avenue Prince Héréditaire Albert entlang und schon lag das Stadion links vor mir. Rein in die finsteren Katakomben und einen langen, dunklen Anstieg hoch bis zur Aschenbahn. Noch eine dreiviertel Runde und dann war es geschafft!

Vier Stunden, acht Minuten und 28 Sekunden, wahrlich keine Heldetat, aber ich war glücklich, daß ich es geschafft hatte. Ich ließ mir den Chip vom Schuh zwicken, die Medaille umhängen, ging noch ein paar Schritte und suchte mir dann ein Plätzchen an der Bande der Aschenbahn, wo ich mich hinsetzen und anlehnen konnte. Endlich Entlastung! Die Sonne stand hoch am Himmel und wärmte.

Sicher 15 Minuten lang saß ich da und erholte mich. Dann erhob ich mich mühselig und ging die Tribünen hoch um meinen Kleiderbeutel zu holen. Nach ein paar Treppenstufen spürte ich, daß mein Kreislauf noch nicht in Ordnung war und mußte mich nochmals setzen, diesmal auf einen Sitz in den Zuschauerrängen.

Wieder wartete ich eine Weile und humpelte dann mühselig vollends die Ränge hoch, bis ich oben im Stadion auf einen Wandelgang stieß. Immer den Pfeilen nach, umrundete ich zur Hälfte das Stadion, bis ich endlich bei der Beutelausgabe war. Dann drängte ich mich durch die Menschenmassen, vorbei an den Massageecken und auch vorbei an der Getränkeausgabe. Halt, eine Büchse Cola würde ich jetzt vertragen. Ich nahm mir eine und trank sie aus. Dann umrundete ich weiter das Stadion oberhalb der Zuschauerränge, bis ich endlich einen ruhigen Ort fand, wo ich mich umziehen konnte. Zum Duschen hatte ich wirklich keine Lust.

Danach trieb ich mich noch eine Weile auf den Zuschauerrängen herum, schaute nach den Läufern, die immer noch kamen und ging dann nach unten, hinaus vor das Stadion. Dort traf ich glücklicherweise Ute und Erika. Bald kam auch Elisabeth und kurz danach Bernhard. Wir vertrieben uns noch ein wenig die Zeit in der Eingangshalle des Stadions, bis dann endlich die Ergebnisse vorlagen. Elisabeth, die vor zwei Jahren noch ihre Altersklasse gewonnen hatte, war mit 4:00:03 diesmal nur 14. ihrer Klasse geworden. Trotzdem ein gutes Ergebnis. Bernhard, der Marathonläufe nicht der Zeit wegen lief, sondern nur des Erlebnisses wegen und wohl auch aus Sammelleidenschaft, hatte 4:55:00 gebraucht. Alle drei waren wir aber glücklich, daß es so ein schöner Lauf war, daß das Wetter so toll mitgemacht hatte.

 

Nachbetrachtungen

Wir gingen zurück ins Hotel, wo ich mich erst mal unter die Dusche stellte. Danach ging es mir wieder bestens. Auch das Gehen gelang nahezu schmerzfrei. Kurz danach ging es zum Essen. Unser Reiseveranstalter hatte Plätze in einem Restaurant reservieren lassen, so daß wir gemeinsam den Tag abschlossen.

Da waren richtige Veteranen dabei, nicht vom Alter, sondern von der Zahl der gelaufenen Marathons. Jürgen Röscher zum Beispiel, der bereits 150 verschiedene Marathons und Ultras hinter sich hatte, nicht die gezählt, die er bereits mehrmals gelaufen war. Oder der Läufer aus dem Stuttgarter Raum, der jedes Mal, wenn jemand von einem Marathon erzählte, meinte: "Den bin ich auch schon gelaufen." Ob das ein Marathon im Bergwerk war, einer auf dem Schiff vor der Antarktis, der Thermen-Lauf in Bad Füssing, auf Island, auf der Chinesischen Mauer, der Junge war dabei. Derzeit macht er das "Spiel", 60 Marathons zu laufen, jeden mit einer Minute Abstand. Sein schnellster war dabei 3h13. Jetzt fehlen ihm nur noch ein paar wenige Läufe. Kein Problem für ihn, eine Woche später war er schon in Mailand gemeldet. Der Abend war somit recht kurzweilig.

Montag, 26. November

An diesem Tag erkundeten Elisabeth, Ute und ich noch ein wenig Nizza, gingen in das Matisse-Museum und genossen nochmals in vollen Zügen das schöne Wetter, bis es dann am Abend wieder zurück nach Deutschland ging.

Wieder eine Nacht in einer engen Schlafkoje im Liegewagen und dann waren wir im kalten, regnerischen Saarbrücken. Werner holte uns ab, ein kurzes Frühstück bei ihm zuhause und dann ging es mit dem Auto zurück nach Stuttgart. Diesen Lauf, dieses Wetter habe ich so schön in Erinnerung, daß ich sicher nicht das letzte Mal beim Marathon in Monaco war.


 

 

 Bilderkollektion vom Lauf

 

 

 

 

 

 

 

Letzte Änderung:
13. August 2009

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